St.-Martini-Kirche Nah am Altar, schneller im Himmel

EMMERICH · 30 Grabplatten in der St.-Martini-Kirche erzählen vom Schicksal adliger Familien und einfacher Leute.

 Pfarrer Paul Seesing vor einer der alten Grabplatten in der Martinikirche.

Pfarrer Paul Seesing vor einer der alten Grabplatten in der Martinikirche.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Die St.-Martini-Kirche ist fast 900 Jahre alt. Der Gründungsbau  wurde ab etwa 1040 errichtet. Im Laufe der Zeit wurde die Kirche zerstört, wiederaufgebaut und restauriert. Alte Grabplatten hängen an den Wänden. „Davon gibt es über 30 Stück in unserer Kirche“, weiß Pastor emeritus Paul Seesing.

Hohe Persönlichkeiten, Priester, aber auch Familien wurden in der Kirche beigesetzt. „Man wollte möglichst nah am Altar sein, dann bestand nämlich die Möglichkeit, dass man schneller in den Himmel kommt. So dachten die Leute früher“, erzählt Pfarrer Seesing.

Im südlichen Seitenschiff findet man die Grabplatten verschiedener Familien wie Greve, Walraen, Ripperbaut oder Sack. Bei einigen steht, wie sie zu Tode gekommen sind: „Anno 1586, den 14. Februari, syndt die edele Johan van Eller und Christophel Quaed jämmerlik vermordert“ ist auf einem Stein zu lesen. Man nimmt an, dass sie Opfer des niederländischen Krieges wurden, der sich auch in Emmerich auswirkte. Van Eller gehörte einer einst mächtigen Familie an, der die Burg Eller bei Düsseldorf gehörte, wie das Wappen auf dem Grabstein bezeugt. Quaed soll einem alten kölnischen Geschlecht entstammen.

Unter der Orgelbühne befinden sich sieben Grabplatten. „Hier ist für mich Petrus Hompheus einer der wichtigsten Persönlichkeit“, sagt Pastor Paul Seesing. In Cochem an der Mosel geboren, besuchte er die Schule in Deventer und kam als Lehrer nach Emmerich, wo er ab 1516 unterrichtete. 1524 wurde er Rektor der Stiftsschule, 1532 wurde er zum Kanoniker ernannt und 1542 zum Dechanten von St. Martini gewählt. „Bekannt wurde er durch seine Tabernakel-Stiftung, er stellte sechs Wohnungen für arme Studenten zur Verfügung“, erzählt der geschichtskundige Seesing.

Am 28. August 1556 starb Hompheus. Sein Grabstein wurde im Juni 1986 unter dem Kirchenfußboden der St.-Martini-Kirche geborgen. Auch Heinrich Gruntgen, der am 20. November 1547 starb und dessen Grabplatte in derselben Reihe hängt, war Kanoniker und wurde 1515 zum Dechanten gewählt.

Von so mancher Familie weiß man nicht viel, nur aufgrund „besonderer Vorkommnisse“ wurden sie früher erwähnt. So wurden der Familie Marwick, deren Grabstein ganz links unter der Orgelbühne hängt, 1447 bei der Soester Fehde fünf Pferde zu 31 und drei fette Rinder zu zwölf Niederrheinischen Gulden gestohlen, ausgerechnet am Freitag der Kreuzerhöhung.

Und Familie Bongard – die Grabplatte von Kanoniker Gerhard Bongart, der am 20. Oktober 1558 starb, hängt rechts – wurden ebenfalls bei der Soester Fehde sechs fette Ochsen von den Soldaten geraubt. 1438 wurde sein Angehöriger Jan Bongart auf der Eltener Straße durch einen Messerstich von einem Mitstudenten getötet. Das steinerne Kreuz an der Wardstraße erinnert daran. Wilhelm Bruyns, dessen Stein der zweite von rechts ist, stammt aus einer alten Patrizierfamilie. Sein Vater Marcellus war Rentmeister des Herzogs von Kleve. Wilhelm übernahm die Kanonikerstelle im Jahr 1481 und wurde Dechant im Jahr 1496. Bruyns machte mehrere Stiftungen, so schenkte er 1505 den Kreuzherren eine jährliche Zuwendung von 25 Goldgulden, ließ das Hieronymus-Haus für arme Studenten bauen und acht Armenhäuser an der Goldsteege errichten, die für arme Frauen gedacht waren. Er starb am 6. Oktober 1515.

Nicht nur reiche Familien wurden in der Kirche bestattet. Rutger Debinc, gestorben am 4. Dezember 1563, war Zöllner in Lobith und Neffe des Dechanten. Die Witwe des Rutger, Elsken Bongarts, bezahlte für das Recht der Beerdigung in der Martinikirche sechs Taler durch die Hand des Dechanten. Sie starb im Juli 1564 und wurde ebenfalls hier bestattet.

Tragisch ist die Geschichte des Herzogs Gerhard von Schleswig. Er wurde 1404 geboren. Weil er an Tuberkulose erkrankte, reiste er zur Erholung ins Badische. In Köln fühlte er sich dem Tode nahe und wollte zurück in seine Heimat. Das Schiff kam nur bis Emmerich, wo er am 24. Juli 1433 starb und in St. Martini beerdigt wurde.

Im Turm sieht man den Grabstein von Agnes de Groot, die am 27. Mai 1585 im 45. Jahr ihres Lebens starb. Ihr Ehemann Johannes Angeli Lezanus, Rat des erlauchten Königs von Spanien für Holland, hat dieses Denkmal „für der mit dem Vorzug aller Tugenden ausgestatteten Edelfrau, seiner innigst geliebten Gattin und unzertrennlichen Begleiterin in Glück und Unglück, weinend und trauernd anfertigen und aufstellen lassen“, wie da zu lesen steht. Darunter stehen die Wort: „Dordrecht hat mich geboren, vollendet hat mich Emmerich. Im Grab liegen meine Gebeine, das Himmelreich hält meine Seele“.

(Monika Hartjes)
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