Emmerich Gewalt: Stiftung bittet um Verzeihung

Emmerich · Die Waisenhausstiftung hat jetzt erstmals Vorfälle bestätigt, bei denen in den 1970er Jahren Kinder im St.-Elisabeth-Heim geschlagen und misshandelt worden sein sollen. Pfarrer Bernd de Baey steht in Kontakt mit Opfern.

 Das heutige Kinderheim der Waisenhausstiftung. In den 1970er Jahren sollen hier Kinder misshandelt worden sein.

Das heutige Kinderheim der Waisenhausstiftung. In den 1970er Jahren sollen hier Kinder misshandelt worden sein.

Foto: markus van offern

Es sind Vorwürfe, die sprachlos machen. Detlef Rudolph hatte sie vor vier Jahren das erste Mal öffentlich erhoben. In den 1970er Jahren, als er mit seinen Geschwistern im St.-Elisabeth-Heim lebte, sollen dort er und weitere Kinder brutal misshandelt worden sein. Schon wegen kleinster Vergehen hätte es im Waisenhaus drakonische Prügelstrafen vor allem durch den damaligen, mittlerweile verstorbenen Heimleiter gegeben.

Lange Jahre hat die Waisenhausstiftung diese Vorfälle bestritten oder sie als nicht mehr nachvollziehbar bezeichnet. Jetzt werden sie eingeräumt. "Es hat körperliche Gewalt in großem Ausmaß gegeben. Im Namen der Waisenhausstiftung kann ich alle Betroffenen nur um Verzeihung bitten", sagt Pfarrer Bernd de Baey.

Er war kurz nach seiner Amtseinführung Anfang vergangenen Jahres von Detlef Rudolph kontaktiert worden und hatte sich daraufhin mit ihm getroffen. "Seine Schilderungen waren sehr glaubhaft. Zudem existieren jetzt auch schriftliche Erklärungen ehemaliger Mitarbeiter, die seine Darstellungen bestätigen", so de Baey.

Diese Erklärungen lagen der Waisenhausstiftung in der Vergangenheit nicht vor. "Es gibt nur wenige Aktenbestände aus dieser Zeit", so Pfarrer Bernd de Baey. Dazu habe es aber auch Stellungnahmen von Mitarbeiterinnen und ehemaligen Bewohnern gegeben, aus denen hervorginge, dass es keine Gewalt gegen Kinder gegeben habe. Wohl der Grund dafür, warum die Waisenhausstiftung die Vorwürfe bislang bestritt beziehungsweise sie nicht mehr nachvollziehen konnte.

Dass es jetzt auch andere Stellungnahmen gibt, ist Detlef Rudolph zu verdanken, der ehemalige Mitarbeiterinnen und Heimbewohner kontaktierte und sie darum bat, ihre Erinnerungen niederzuschreiben. Auf die Schilderungen reagiert Pfarrer de Baey betroffen: "Es geht hier um schutzbedürftige Kinder, die in ihrem Leben bereits viel Gewalt erfahren hatten und denen dann noch einmal das Gleiche widerfährt. Das ist eine Katastrophe, die großen Einfluss auf das weitere Leben der Betroffenen hatte." So wie auf das von einem Teil der Rudolph-Geschwister, denen bereits vor drei Jahren "posttraumatische Belastungsstörungen" vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe bescheinigt wurden, sie somit als Opfer von Gewalt anerkannt sind.

Mittlerweile haben sich auch weitere Betroffene bei de Baey gemeldet. Mit unterschiedlichen Anliegen, wie er berichtet: "Einigen geht es nur darum, dass ihr Leidensweg anerkannt wird. Andere haben Forderungen und Bitten gestellt, weil sie noch heute mit den Folgen zu kämpfen haben. Es gibt aber auch Leute, die damit nicht mehr konfrontiert werden wollen, weil sie mit dem Thema abschließen möchten."

Die schriftlichen Zeugenaussagen von ehemaligen Heimkindern und Mitarbeiterinnen des Hauses berichten von systematischer körperlicher und seelischer Quälerei mit sadistischen Zügen. Es soll Faustschläge gegeben haben, ein Kind sei sogar durch eine Glasscheibe gestoßen worden.

Dazu Pfarrer Bernd de Baey: "Auch wenn es früher einmal andere Erziehungsmethoden gab, mit christlichen Werten ist das nicht in Einklang zu bringen." Seine Bitte um Vergebung sei von einigen Opfern bereits angenommen worden. Bei der finanziellen Entschädigung steht manche Einigung noch aus.

(RP)
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