Emmerich Fungarden: Die emotionalen Plädoyers

Emmerich · Der Dienstag war der Tag der Plädoyers im Fungarden-Prozess in der Klever Schwanenburg. Die Anklage sieht Esed D. und Olga G. überführt. Die Verteidigung hingegen hält nahezu alle Vorwürfe für widerlegt.

Razzia in Bordellen in Emmerich
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Als Staatsanwalt Hendrik Timmer seine Ausführungen am Dienstag nach exakt 170 Minuten beendete, hatte er in der Klever Schwanenburg Justizgeschichte geschrieben. Es war vermutlich eines der längsten Plädoyers, das dort je gehalten wurde — und mit Sicherheit das erste, dass Zitate aus einem "Tatort" in die deutsche Rechtsprechung einführte.

In dem TV-Krimi "Wegwerfmädchen" begrüßt die Kommissarin einen Bordellwirt mit den Worten: "Na, wo sind denn die selbstständigen Franchise-Unternehmerinnen" Das, so Timmer, passe zum Bordell "Fun Garden", dessen Betreiber Esed D. (53) und Olga G. (40) die Prostituierten als Scheinselbstständige beschäftigt haben sollen.

Dies sah die Anklage als erwiesen an (mit daraus resultierenden Abgabenverstößen in Höhe von rund 1,9 Millionen Euro), ebenso wie die Steuerhinterziehung (2,2 Millionen Euro). Aus Sicht der Staatsanwaltschaft haben auch die Tatbestände der Einschleusung sowie des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung Bestand. Timmer forderte sieben Jahre und neun Monate Haft für den Bordellwirt, vier Jahre und sechs Monate für seine Lebensgefährtin.

Ursprünglich hatten die Vorwürfe des Menschenhandels in dem Prozess breiten Raum eingenommen, doch davon blieben Beweisaufnahme nur noch zwei Fälle übrig: der Fall der ungarischen Zuhälterin "Big Mama", die vier ihrer Mädchen in Emmerich beschäftigte und für sie kassierte, sowie der Fall der Ungarin Laura S., die laut Anklage von einem Bekannten in Emmerich abgesetzt worden war, der ihr danach am Telefon erklärte: "Ab jetzt bist du eine Hure."

Die junge Frau wurde nach einem Hilferuf von der Polizei aus dem Bordell geholt. Sie ist die letzte verbliebene Nebenklägerin. Ihre Vertreterin schilderte im Anschluss an Timmers Plädoyer eindringlich ihre Geschichte: Laura S. leide noch heute, doch ihr komme es nicht auf eine finanzielle Entschädigung an. "Es geht meiner Mandantin nur darum, dass eine Schuld festgestellt wird, so dass sie in Ungarn ihren Status rehabilitieren kann", so Anwältin Petra-Maria Borgschulte.

Heftigst bestritten wurden die Menschenhandels-Vorwürfe vom Angeklagten Esed D., der in seinem Schlusswort sagte: "Was die Steuer betrifft, bin ich bereit die Maximalstrafe zu erhalten. Aber ich habe nie Menschenhandel betrieben."

Die jeweils zwei Pflichtverteidiger der Angeklagten bemühten sich hauptsächlich darum, den Vorwurf der Scheinselbstständigkeit zu entkräften. Rechtsanwalt Andreas Kost forderte eine grundsätzliche sozialrechtliche Klärung der Lage. Sein Kollege Harald Gruhn verwies darauf, dass es beispielsweise kein vereinbartes, festes Entgelt für die Prostituierten gegeben habe.

Verteidiger Joachim Müller meinte, die beiden Angeklagten hätten versucht, ein seriöses Geschäft aufzuziehen. Strafverteidiger Michael Bonn legte dar, dass Bordelle "wie Pilze aus dem Boden" schössen und mittlerweile gesellschaftsfähig seien: "Der Fun Garden hat sogar Sky, da können Sie heute Abend Fußball gucken." Für Steuerhinterziehung erachtete er für seinen Mandanten Esed D. zwei Jahre und neun Monate Haft als angemessen.

Deutliche Worte fand Staatsanwalt Timmer angesichts einiger Umstände, die sich, das hatte das Gericht angedeutet, strafmildernd auswirken könnten. Er fühle sich an die drei Affen erinnert, die nichts hören, nichts sehen und nichts sagen. Gemeint waren das Gewerbeamt in Emmerich, das massenhaft Anmeldungen von selbstständigen "Tänzerinnen" zugelassen hatte, das Finanzamt in Kleve, das nicht so genau hingesehen habe, was da abgerechnet wurde, sowie der Steuerfachangestellte aus der Kanzlei, die den Angeklagten beraten sollte.

Das Urteil wird am Dienstag, 7. Mai, verkündet.

(dau)
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