Kurzurlaub 140 Kilometer Auszeit

Emmerich/Spanien · RP-Mitarbeiterin Monika Hartjes schaltete das Handy aus und die Entspannung ein: Fünfeinhalb Tage lang lief sie den Camino, von Bilbao nach Santander. Unterwegs traf sie auf weitere Jakobsweg-Pilger und herrliche Landschaften.

 Dieses Foto, aufgenommen auf dem Weg nach Pobena, zeigt die Autorin, Monika Hartjes.

Dieses Foto, aufgenommen auf dem Weg nach Pobena, zeigt die Autorin, Monika Hartjes.

Foto: hartjes

Ein Flugticket Düsseldorf-Bilbao hin und zurück, ein Paar Wanderschuhe, einen Rucksack mit rund zehn Kilo Utensilien für den Alltag – mehr braucht man nicht, um eine Woche Ruhe, Entspannung, Bewegung und Abenteuer zu erleben.

In Bilbao angekommen begann die Suche nach der ersten Herberge. Der Reiseführer war da nicht ganz eindeutig, wahrscheinlich weil er schon über zwei Jahre alt war. Mit der modernen Art den Jakobsweg zu bewandern, per Google-Maps oder App, kann ich mich nicht anfreunden, mein Handy bleibt offline im Rucksack. Aber vier spanische Herren in dem Café, wo ich nachfragte, die wussten Bescheid. Jedoch sprachen sie nur spanisch, ich nur deutsch und englisch. Kein Problem, man nahm mich an die Hand, führte mich zur nächsten Kreuzung und zeigte mir, wo’s langging. So geht es einem auf dem Camino, denn nicht immer sind die Zeichen eindeutig, manchmal wurden einfach gelbe Pfeile auf ein Verkehrschild gemalt oder auf eine Bordsteinkante. Doch die Spanier helfen gerne mit einem freundlichen „Buen Camino“ oder „Ola“ auf den Lippen.

 Der Blumenhund vor dem Guggenheim-Museum in Bilbao.

Der Blumenhund vor dem Guggenheim-Museum in Bilbao.

Foto: hartjes

Immer den Berg rauf und ich traf auf die Unterkunft, was mir einen herrlichen Blick über Bilbao bescherte. Mit rund einem Dutzend „Mädels“ jeden Alters, die meisten ebenfalls alleine unterwegs, wohnten wir auf einem Zimmer. Beim gemeinsamen Abendessen stellten sich alle vor: Die Pilger kamen aus Mexiko, den Niederlanden, Frankreich, USA und zwei Mädels, die per Rad unterwegs waren, aus Argentinien. Als ich an der Reihe war, tönte es über den Tisch: „Emmerich – kenne ich!“ Der „Rufer“ entpuppte sich als Dortmunder. Übernachtung, Essen und Frühstück gab es gegen eine kleine Spende.

Am nächsten Tag ging es nach Portugalete. Auf einer Plattform, die unter einer Brücke hin- und hergezogen wurde, überquerte ich den Fluss Nervión, das Erlebnis kostete 45 Cent. Nach 25 Kilometern erreichte ich Pobeña und genoss den Nachmittag am Strand des Atlantischen Ozeans. 116 Stufen waren am nächsten Tag zu bewältigen, doch die Strecke entlang der Küste entschädigte für den verspäteten Kaffee, denn im Hostel gab es keinen. In Islares war die Herberge geschlossen, aber am Ortsrand bekam ich nach 28 Kilometern eine Unterkunft auf einem Campingplatz. Schon wieder kein Frühstück! Und dann erst mal zehn Kilometer über Asphalt. Ich hatte einen „Durchhänger“ – die rechte Wade und die Schultern zwickten, am linken Fuß wuchs eine Blase und der Kopf brummte – wahrscheinlich wegen des geringen Koffeinspiegels. Doch dann traf ich Simona, eine Stewardess aus Prag, und wir unterhielten uns angeregt. „Meine Freundin ist nur gerannt, ich wollte aber auch die Gegend genießen“, erzählte sie. Sie habe sich von ihr getrennt. Die beste Freundin ist also nicht unbedingt auch der ideale Partner für den Jakobsweg. Es ging steil bergauf und das bei 25 Grad ohne Schatten, aber der Blick auf die Bucht von Loredo war atemberaubend. Simona lief weiter, ich trank endlich meinen Kaffee, wobei ich ein Ehepaar aus Rotterdam traf, unterwegs per „Fiets“. Vor Wochen seien sie von zuhause aus losgefahren, erzählte die Frau. Am Nachmittag traf ich in Santoña ein. In der Herberge verabredete ich mich mit Veronika aus Tschechien zu einem Picknick am Strand mit Salat, Brot, Käse und einer Flasche Rotwein.

Der Weg nach Güemes begann steil und steinig, doch zwischendurch lief ich drei Kilometer barfuss durch die erfrischenden Fluten des Ozeans. Die Herberge in Güemes liegt auf einem Berg, nach fast 25 Kilometern kein Vergnügen, ihn zu erklimmen. Dort gab es ein Wiedersehen mit verschiedenen Pilgern. Die Hostel-Betreiber kochten für uns. Zehn Leute im Zimmer bedeuteten einige Schnarchgeräusche, doch dank „Ohropax“ waren sie gedämpft gut zu ertragen.

Nur noch 16 Kilometer bis Santander, der Weg entlang der Steilküste war einfach wunderschön. Oft hielt ich an, um die Aussicht zu genießen. Am Nachmittag besuchte ich ein Folklorekonzert und den frei zugänglichen Zoo auf der Halbinsel mit Robben, See-Elefanten und Pinguinen.

Die ganzen 140 Kilometer, die ich in fünfeinhalb Tagen gelaufen bin, fuhr ich an meinem vorletzten Urlaubstag mit dem Bus in eineinhalb Stunden zurück nach Bilbao. Trotzdem würde ich die Strecke lieber wieder zu Fuß machen. Ich habe schon mehrere Male eine mehrtägige „Auszeit“ auf dem Jakobsweg genommen, ich liebe das Wandern – am liebsten alleine, aber auch die Begegnungen und Gespräche zwischendurch mit Leuten aus vielen Ländern der Erde und das bunte Leben in den Herbergen. Diesmal kam die atemberaubend schöne Landschaft hinzu, die einen immer wieder daran erinnerte, wie wertvoll und erhaltenswert unsere Erde ist. Diesen Weg werde ich bestimmt noch einmal gehen.

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