Landgericht Richter ermahnt Prozess-Besucher

Von Jens Helmus · Weil ein Landwirt, der 2016 zwei Emmericher Tierärzte mit Eisenstangen schwer verletzte, nicht wegen versuchten Totschlags oder versuchten Mordes angeklagt ist, bekundeten Zuhörer lautstark ihren Unmut.

 ARCHIV - 09.09.2014, Bayern, Bamberg: Eine Statue der Justitia hält eine Waage in ihrer Hand. (zu dpa «Politik ohne Respekt vor der Justiz? Fall Sami A. löst Debatte aus» vom 16.08.2018) Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

ARCHIV - 09.09.2014, Bayern, Bamberg: Eine Statue der Justitia hält eine Waage in ihrer Hand. (zu dpa «Politik ohne Respekt vor der Justiz? Fall Sami A. löst Debatte aus» vom 16.08.2018) Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/David-Wolfgang Ebener

Jürgen Ruby hat ein besonnenes Gemüt. Der Richter am Klever Landgericht ist nicht leicht aus der Ruhe zu bringen. Härtere Töne hört man von dem Vorsitzenden der 1. Großen Strafkammer im Verhandlungssaal nur selten. Als am Montag der Prozess gegen einen 46-jährigen Landwirt aus Uedem wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen – in einem Fall in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung – fortgesetzt wurde, wählte Ruby jedoch deutliche Worte. Der Grund: wiederholte Störungen aus dem Zuhörerbereich, in dem auch Angehörige der Geschädigten saßen.

Dass der Landwirt, der im Oktober 2016 zwei Tierärzte bei einer Hofkontrolle mit Eisenstangen schwer verletzte, nur wegen Körperverletzung und räuberischer Erpressung – nicht aber wegen versuchten Totschlages oder gar versuchten Mordes – angeklagt ist, stößt bei einigen Angehörigen auf Unverständnis. Als die Nebenklagevertretung am Montag beantragte, den Angeklagten darauf hinzuweisen, dass auch eine Verurteilung wegen eines Totschlag- oder Mordversuchs infrage komme, tönte lauter Applaus aus dem Zuhörerbereich.

„Wenn ich sowas nochmal aus dem Zuhörerraum höre, wird er geräumt“, kündigte der Richter in bestimmendem Ton an. Lange währte die Ruhe dennoch nicht. Als der Verteidiger des Angeklagten erwiderte, dass die Geschädigte nun wohl tot wäre, wenn sein Mandant tatsächlich mit Tötungsabsicht von hinten auf den Kopf der Veterinärin geschlagen hätte, rief eine Zuhörerin: „Es ist ja nur Zufall, dass sie noch lebt!“ Genug für den Vorsitzenden: „Wir müssen einen Wachtmeister hinzuholen, das geht so nicht“, sagte Ruby und unterbrach die Verhandlung. Erst nach einer deutlichen Ansprache des Wachtmeisters in Richtung Zuhörer („Das ist hier kein Theater, sondern eine wichtige Sache!“) wurde fortgesetzt. Der Antrag der beiden Nebenkläger-Anwälte wurde anschließend abgelehnt: Die Kammer fasse den Antrag dankbar als Anregung auf, folge der Auffassung der Nebenklage aber nach derzeitiger Erkenntnislage nicht, so Ruby. Auch die Staatsanwaltschaft geht – soweit sie in der Anklage aufgrund der wuchtigen Schläge gegen den Kopf des Geschädigten einen Tötungsvorsatz bejaht – von einem laut Gesetzgebung strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten von der Handlung aus. Daher erfolgte die Anklage auch nicht wegen versuchten Totschlags oder versuchten Mordes, sondern nur wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung.

Als Zeugin sagte die 38-jährige Lebensgefährtin des Angeklagten aus: Sie schilderte ihren Partner als ruhige und stille Person. Aus ihrer Erfahrung fresse er Probleme eher in sich hinein, anstatt darüber zu sprechen. Im Umgang mit ihr und den Kindern sei der 46-Jährige nie gewalttätig geworden.

Ein weiterer Zeuge – ein Versicherungsmitarbeiter, der nach einem großen Scheunenbrand auf dem Hof des Angeklagten mit diesem zu tun hatte – erschien nicht. Er soll am nächsten Verhandlungstag aussagen: am Donnerstag, 23. August, um 10 Uhr im Landgericht. Nach dem Gutachten des sachverständigen Psychiaters und den Plädoyers wird an diesem Tag voraussichtlich auch das Urteil verkündet.

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