REES  Reeser Zeitreisen im Internet

Rees · Es begann mit einem Fund eines alten Fotos im Nachlass seiner verstorbenen Mutter. Mittlerweile hat die von Karl Just gegründete Gruppe im Facebook 500 Mitglieder und etwa 8000 Bilder gesammelt. „Ein Selbstläufer“, wie Just sagt.

 Karl Just (unten, wie er heute ausieht), findet noch immer neue Bilder in dem großen Sammelsorium, dass ihm seine Großmutter hinterließ.

Karl Just (unten, wie er heute ausieht), findet noch immer neue Bilder in dem großen Sammelsorium, dass ihm seine Großmutter hinterließ.

Foto: Karl Just

Die Erfolgsgeschichte begann mit einem Schwarzweißfoto seines Großvaters Georg „Schorsch“ Stamm. Karl Just, 1957 in Rees geborener Wahl-Klever, hatte es im Nachlass seiner verstorbenen Mutter Gisela entdeckt. „Mein Großvater war eigentlich Schachtmeister und baute Autobahnen, deshalb wunderte ich mich über das Foto, das ihn bei der Arbeit am Dach des Pegelturms an der Reeser Rheinpromenade zeigt“, erzählt Karl Just. Er lud das Bild in einer Reeser Facebook-Gruppe hoch und wunderte sich, wie angeregt das Motiv dort diskutiert wurde. Gleiches geschah mit dem nächsten Foto, das Karl Just bei Facebook hochlud. Es zeigte seine Mutter in jungen Jahren auf der Reeser Autofähre.

„Aus den positiven Reaktionen ergab sich die Idee, eine Facebook-Gruppe zu gründen, in der alte Reeser Fotos und die dazu gehörenden Geschichten verewigt, geteilt und diskutiert werden“, sagt Karl Just. So gründete er Ende Juli die Gruppe „Reeser Zeitreisen“, der sich nun schon fast 500 Mitglieder angeschlossen haben. Karl Just ist nicht der Einzige, der die Nostalgie mit Fundstücken aus seiner Fotokiste befeuert. Viele Mitglieder durchstöbern ihre Alben und teilen die schönsten Motive, stets mit der unterschwelligen Frage: „Weißt Du noch…?“

Karl Just nennt seine „Reeser Zeitreisen“ einen „Selbstläufer“. Mitglieder haben die Gruppe nach dem Schneeballprinzip bekannt gemacht, andere Reeser eingeladen und immer wieder neue alte Fotos eingestellt. Rasch kamen die ersten 400 Bilder und 8000 Kommentare zusammen. Die „Reeser Zeitreisen“ huldigen der Pumpenkirmes, dem Alltag in der Dobbelmann-Siedlung, längst geschlossenen Reeser Kneipen und abgerissenen Fabriken, Fußballmannschaften und Schulklassen vergangener Jahrzehnte oder Reeser Originalen wie Freddy, der den verqualmten Kiosk am Busbahnhof betrieb, oder Erwin, der auf etlichen Fahrradanhängern Unmengen an Papier und Pappe durch die Straßen zog. Und wenn Bilder der naturbelassenen, unbebauten Queckvoor oder der Marktpumpe im Originalzustand hochgeladen werden, verbreitet sich schnell eine „Früher war alles besser“-Stimmung.

„Es ist schön, in Erinnerungen zu schwelgen“, beschreibt Karl Just das Erfolgsgeheimnis seiner Facebook-Gruppe. „Ich bin mit 14 oder 15 Jahren aus Rees weggezogen und war seither nur noch sporadisch dort, aber durch die vielen Fotos und Anekdoten werden die Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend plötzlich wieder wachgerufen.“

Karl Just, der in Kleve die Bau- und Immobilienbegleitung Justhome betreibt, entstammt einer Reeser Wirtsfamilie. Oma Brunhilde, genannt Hilde, und Opa Georg „Schorsch“ Stamm betrieben die Kneipe „Tivoli“ in der heutigen Pizzeria am Amtsgericht. Mutter Gisela betrieb später die Kneipe „Sterneck“ am Friedhof, wo heute die Fahrschule Rösen ihr Domizil hat.

Nach der Scheidung der Eltern verbrachte Karl Just viel Zeit bei seiner Oma in der Freystraße. „Wir Kinder hatten in der Dobbelmann-Siedlung viel Spaß“, erinnert er sich. „Wir nutzten den Spielplatz hinter der Schule, kauften bei Schöter unsere Süßigkeiten und rauchten im Raadts-Wäldchen unsere erste Zigarette.“ Heute fühlt sich Karl Just als Klever, da er zwei Drittel seines Lebens in der Schwanenstadt verbracht hat. Doch die Nostalgie der „Reeser Zeitreisen“ veranlasste ihn vor zwei Wochen, erneut nach Rees zu fahren: „Ich war in der Freystraße und stand vor dem früheren Haus meiner Großeltern. Die heutigen Besitzer luden mich ein, hineinzukommen. Abgesehen von der neuen Einrichtung war noch vieles wie in meiner Kindheit.“ Auch das war eine Reeser Zeitreise. Real statt digital.

 In der Tivoli-Kneipe empfingen Schorsch und Hilde Stamm in den 60er-Jahren ihre Gäste. „Die Dame rechts war ,unsere Tante‘ Emmi“, schreibt Karl Just. „Mädchen für alles und meine damalige Aufpasserin – was aber nicht immer geklappt hat.“

In der Tivoli-Kneipe empfingen Schorsch und Hilde Stamm in den 60er-Jahren ihre Gäste. „Die Dame rechts war ,unsere Tante‘ Emmi“, schreibt Karl Just. „Mädchen für alles und meine damalige Aufpasserin – was aber nicht immer geklappt hat.“

Foto: Karl Just
 So sahen die Familenkränzchen bei Oma Hilde Stamm in der Dobbelmann-Siedlung aus: „Mit lecker Rosinen- und Schwarzbrot, guter Butter und selbstgemachte Marmelade“, schreibt Karl Just, hier rechts im Bild.

So sahen die Familenkränzchen bei Oma Hilde Stamm in der Dobbelmann-Siedlung aus: „Mit lecker Rosinen- und Schwarzbrot, guter Butter und selbstgemachte Marmelade“, schreibt Karl Just, hier rechts im Bild.

Foto: Karl Just
 : „Bitte gleich zahlen!“ Karl Just vermutet, dass dieses Foto seiner Oma Hilde (links) zwischen 1933 und 1945 entstand: „In dieser Zeit war die Würstchendynastie Heines, siehe Werbetafel, sehr erfolgreich.“

: „Bitte gleich zahlen!“ Karl Just vermutet, dass dieses Foto seiner Oma Hilde (links) zwischen 1933 und 1945 entstand: „In dieser Zeit war die Würstchendynastie Heines, siehe Werbetafel, sehr erfolgreich.“

Foto: Karl Just
 Karl Just setzt auf das Internet, um seine „Reeser Zeitreisen“ und Familienerinnerungen mit der Öffentlichkeit zu teilen. Foto: Karl Just

Karl Just setzt auf das Internet, um seine „Reeser Zeitreisen“ und Familienerinnerungen mit der Öffentlichkeit zu teilen. Foto: Karl Just

Foto: Karl Just

Im Nachlass der Mutter schlummern viele bislang unveröffentlichte Fotos. „Ich habe noch einiges in petto, was ich in regelmäßigen Abständen hochladen werde“, verspricht Karl Just, der auch andere Reeser bittet, historische Fotos aus Wohnzimmerschränken und Kellern zu bergen: „Jetzt wäre eine gute Gelegenheit, diese Schätze aus der Versenkung zu holen und öffentlich zu teilen, damit sie vielen Menschen Freude stiften.“

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