Emmerich Exzess oder Rache-Fantasie ?

Emmerich · Vier Rumänen müssen sich vor dem Landgericht Kleve wegen des Vorwurfs gemeinschaftlicher Vergewaltigung und Körperverletzung verantworten. Die Männer hatten zur Tatzeit in Emmerich gearbeitet.

 Hier arbeiteten die angeklagten Rumänen: Das Hauptzollamt in Emmerich wurde seinerzeit saniert.

Hier arbeiteten die angeklagten Rumänen: Das Hauptzollamt in Emmerich wurde seinerzeit saniert.

Foto: Breuer

emmerich/kleve Der erste Mann weint, so dass die Verhandlung für 20 Minuten unterbrochen werden muss. Der zweite Mann faltet in einer Geste der Fassungslosigkeit die Hände vors Gesicht. Der dritte Mann wischt sich verstohlen Tränen aus den Augenwinkeln. Der vierte Mann hält den Kopf gesenkt und fixiert eine imaginäre Stelle auf dem Boden des Schwurgerichtssaals A110 in der Schwanenburg.

Das Bild, das die aus Rumänien stammenden Männer im Alter von 28 bis 33 Jahren abgeben, passt so gar nicht zu der Anklage, die Oberstaatsanwalt Guido Schulz soeben verlesen hatte. Sie lautete auf gemeinschaftliche, mehrfache Vergewaltigung und Körperverletzung.

Die Anklage zeichnet das Bild eines alptraumhaften Martyriums, das sich über mehrere Tage erstreckt haben soll: Costinel L. (30), Ionut U. (28) sowie die Brüder Iordache (33) und Mihai N. (29), allesamt Familienväter, seit Jahren Wanderarbeiter und zur Tatzeit als "Malocher" beim Umbau des Emmericher Zollamtes am Parkring beschäftigt, sollen in Kleve eine 18 Jahre alte Landsmännin mit einem Stuhlbein und einem Messer bedroht haben. Sie sollen sie zum Sex gezwungen haben – und sie sollen sich gegenseitig geholfen haben.

Der erste Prozesstag war geprägt von dem Versuch, sprachlich eine Verständigungsebene zu finden – in der Sache gingen die Darstellungen weit auseinander. Drei der Angeklagten sprechen einen rumänischen Regionaldialekt. Costinel L. hat sich nach neun Jahren auf die deutsche Sprache verlegt, beherrscht sie nur bruchstückhaft. Er ist der einzige, der etwas aussagt.

Er berichtet, dass er das mutmaßliche Opfer ebenso wie die Mitangeklagten auf einer Baustelle in der Nähe von Frankfurt kennen gelernt habe. Was er dann sagt, ist eine Überraschung, die die Urteilsfindung unter Richter Jürgen Ruby nicht erleichtern wird: "Ich wusste, dass die Frau eine Prostituierte war. Wir hatten einvernehmlichen Sex." Am Abend des 16. Januar fuhr die Rumänen-Gruppe in zwei Autos von Frankfurt nach Kleve. Sie bezogen in einem Haus an der Kirchstraße Quartier und arbeiteten auf der Baustelle in Emmerich. Costinel erzählt, dass es auch in Kleve zu einvernehmlichen Sex gekommen sei.

"Es gab keine Gewalt, keine Schläge, keine Drohungen", so Costinel. Auch mit U. soll die 18-Jährige Sex gehabt haben. Zu Handgreiflichkeiten sei es erst gekommen, als der Mann, der laut Anklage der Freund der Frau ist, davon erfuhr. Ist er wirklich nur der Freund? Costinel L.: "Er bestimmte, wer wann und wie Sex mit ihr haben durfte." Also eher ein Zuhälter?

Es kam L.'s Schilderungen zufolge zu einem Handgemenge. Als die Polizei eintraf, schilderte Costinel L. die Geschehnisse als einen außer Kontrolle geratenen Streit um die Frau. Sie habe dann das Haus verlassen und einem der vier Angeklagten auf Rumänisch gedroht: "Dir hänge ich eine Vergewaltigung an." Also alles nur eine abstruse Rachefantasie? Oder doch ein alptraumhafter Exzess von Sex und Gewalt?

(RP)
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