Emmerich Ex-Ratsherr Bernd Nellissen will jetzt vors Verfassungsgericht

Emmerich · Bernd Nellissen hat seine Ämter aufgegeben, weil er sie sich als Hartz-IV-Empfänger nicht mehr leisten konnte. Dagegen hat er geklagt. Jetzt muss die Stadt ihm Geld zurückzahlen. Nellissen reicht das nicht.

Emmerich: Ex-Ratsherr Bernd Nellissen will jetzt vors Verfassungsgericht
Foto: Endermann, Andreas (end)

Es gehe ihm nicht um das Geld, auf das er jetzt, nach einem gerichtlichen Vergleich, ein Anrecht hat, betont Bernd Nellissen. "Mir geht es um die Frage: Unter welchen Bedingungen kann ein demokratisch gewählter Vertreter seine Mandate wahrnehmen?"

Der Ausgang des Verfahrens behält für ihn einen bitteren Beigeschmack. "Hätte die Stadt Emmerich sich mit dem Kreis Kleve so bewegt, wie jetzt vor Gericht, hätte ich meine Mandate vielleicht nie aufgeben müssen und hätte sie noch", sagt er. Zumindest bis zur Kommunalwahl, "und gegebenenfalls wäre ich auch wieder angetreten", meint er. "Ich wäre noch in Emmerich, würde da weiter Politik machen."

Bernd Nellissen lebt heute in Berlin. Bis zum Frühjahr 2013 war er parteiloses Ratsmitglied. Außerdem saß er für die Wählgergemeinschaft Alternative Linke im Kreistag in Kleve. Für die Ausübung beider Ämter bekam er jeweils eine Aufwandsentschädigung. Aber von diesem Geld durfte er als Hartz-IV-Empfänger lediglich insgesamt 175 Euro im Monat behalten. Davon seien Fahrtkosten, Telefon, Computer, Post und all die Ausgaben, die mit seinen Mandaten zusammenhängen, unmöglich zu bestreiten, argumentierte er. Geklagt hatte er deshalb schon zu Antritt seiner Ämter im Herbst 2009. Fünf Jahre hat das Verfahren nun gedauert.

Auch, wenn es ohne Urteil und mit einem Vergleich endete, fühlt Nellissen sich durch das Gericht bestätigt. Er musste sich bei der Beweisführung auf alte Terminkalender und Tankquittungen stützen - ganz vollständig war das Material nicht. Allein auf Grundlage der gestückelten Teilbeträge aber schlug die Richterin einen Vergleich vor, dem die Stadt und der Kreis Kleve zustimmten: Etwa 1700 Euro soll er zurückbekommen.

Den Kompromiss sei er nur sehr schweren Herzens eingegangen, und jetzt will er weiterkommen. "Ich werde den langen Weg zum Bundesverfassungsgericht suchen und klären, unter welchen Umständen gewählte Politiker, die wenig Geld haben, ihre Mandate wahrnehmen können", kündigt er an.

Eine grundsätzliche Regelung dieser Frage gebe es nicht. Im Kreis Wesel oder in Berlin etwa würden die Aufwandsentschädigungen von Politikern gar nicht auf Hartz-IV-Sätze angerechnet. Im Kreis Kleve hingegen gebe es eine "restriktive Handhabung", an die die Stadt Emmerich dann gebunden gewesen sei.

Für ihn stellt sich auch die Frage, ob man ihn anders behandelt hätte, wenn er einer der großen, etablierten Parteien angehört hätte. "Wenn das der Umgang ist mit Leuten aus Parteien, die man nicht mag, ist das gegen die Verfassung", so Nellissen.

Die Schuld an der Sache sieht er beim Kreis, nicht bei der Stadt Emmerich. Bürgermeister Johannes Diks habe ihn unterstützt, auch von Vertretern anderer Parteien habe er Rückendeckung erhalten.

Nellissen ist 63 Jahre alt und in Berlin weiter auf Arbeitssuche. Politisch bringt er sich in Bürgerinitiativen ein, einer Partei gehört er nicht an. Er schließe aber nicht aus, sagte er, in Berlin irgendwann wieder der Linken beizutreten.

(RP)
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