Früherer katholischer Pfarrer in Emmerich „Patrone haben Kirche fest im Griff“

Emmerich · Pfarrer Peter Kossen kritisiert in einem Artikel den Umgang der Kirche im Oldenburgischen mit der Fleischindustrie.

 Peter Kossen bei einem Vortrag in Emmerich zum Thema Leiharbeiter.

Peter Kossen bei einem Vortrag in Emmerich zum Thema Leiharbeiter.

Foto: Markus van Offern (mvo)

In Emmerich ist es ein offenes Geheimnis: Für Pfarrer Peter Kossen wäre eine Karriere in der katholischen Kirche möglich gewesen, hätte er sich anders verhalten. 

Bundesweit wurde Kossen bekannt, weil er sich mit deutlichen Worten gegen die Fleischindustrie stellte. Seine Kritik: Unter dem Radar der Rechtsstaatlichkeit habe sich in Deutschland seit 30 Jahren in der Fleischindustrie, in der Logistik, in der 24-Stunden-Betreuung, auf dem Bau und in weiteren Branchen eine Schattenwelt entwickelt, in der eine Geisterarmee von Arbeitsmigranten in Form von moderner Sklaverei ausgebeutet und abgezockt werde. Menschen würden angemietet, verschlissen und dann entsorgt – wie Maschinenschrott.

Wie recht er damit hatte, zeigt sich heutzutage immer mehr.

Verabschiedung von Pfarrer Kossen
16 Bilder

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In Emmerich war er sieben Jahre bis 2011 als Stadtpfarrer tätig. Die Zustände der Leiharbeit lernte er damals schon hier kennen und nahm sie aufs Korn. 2011 wechselte er als Ständiger Vertreter des Offizials für den niedersächsischen Teil des Bistums Münster, den Offizialatsbezirk Oldenburg, nach Vechta. Dort wurde er zum Monsignore und Offizialatsrat benannt. Doch er verließ die Karriereleiter und wurde wieder Pfarrer. Gegen die Leiharbeit ging er immer stärker vor. Er schrieb ein Buch, hielt Mahnwache vor Schlachtereien und ließ sich auch nicht einschüchtern.

Nun hat er einen Artikel für das online-Magazin „futur2“ geschrieben, das zum Verein „futur2“ gehört. Dieser veranstaltet seit mehreren Jahren Kongresse zur Zukunft der Kirche.

In seinem Artikel spart Kossen nicht mit scharfer Kritik an der Kirche. Und an seinen kirchlichen Vorgesetzten. 

Kossen schreibt: „Prophetisch steht diese Kirche kompromisslos auf der Seite der Menschen ohne Lobby. Sie lässt sich nicht stillstellen durch Kirchensteuern, prostituiert sich nicht für gesellschaftliche Privilegien. – So jedenfalls ist der Anspruch, so ist das Ideal.“ 

Und dann kommt ein knallharter Satz von Kossen: „In der Wirklichkeit erlebe ich seit Jahren, wie in meiner südoldenburgischen Heimat die Patrone der Fleischindustrie mit ihren Kirchensteuern und Spenden die katholische Kirche fest im Griff haben. Das ist umso verwerflicher, als gerade diese Fleischindustrie für moderne Sklaverei und die Ausbeutung von Menschen, Tieren und Natur verantwortlich ist. Eine Kirche, die dazu schweigt, verkauft ihr Einspruchsrecht, mithin ihre Seele.“

In Kossen brodelt es. Und das hat auch eine Vorgeschichte, die bereits zehn Jahre her ist. Es war die Zeit kurz nach seinem Abschied aus Emmerich.

Peter Kossen musste sich 2012 mit einer Drohung nach Mafia-Art auseinandersetzen. Damals war er Prälat und damit ständiger Vertreter von Weihbischof Heinrich Timmerevers in Vechta.

In den Wochen zuvor hatte Kossen mehrfach öffentlich unsoziale Werkverträge und die schlechte Unterbringung ausländischer Arbeiter gerade in der Fleischindustrie angeprangert. Danach legten ihm Unbekannte Kopf und Pfoten eines Kaninchens vor seine Haustür, was als „Gruß aus der Fleischbranche“ gewertet wurde.

Kossen machte damals die Drohung öffentlich und erklärte, er werde weiterhin auf die Missstände hinweisen.

Ein streitbarer Priester ist er bis heute, auch bei der Bewertung seiner Kirche. In seinem Artikel bezweifelt er die Reformfähigkeit der Amtskirche. Kossen: „Bei einem Priesterkonveniat wurde kürzlich (ernsthaft) darüber diskutiert, ob bei einer Prozession, an der ein Kardinal teilnimmt, das vorweggetragene Kreuz mit dem Korpus nach vorne oder zum Kardinal gedreht wird. Dafür gibt es wohl Regeln in der katholischen Kirche. Das illustriert einen Teil unserer Probleme und die Unmöglichkeit einer echten Reform ,im laufenden Betrieb‘.“ Es werde keine lineare Weiterentwicklung in eine reformierte katholische Kirche geben, so Kossen.

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