REES Drehorgelfestival auf der Reeser Rheinpromenade

REES · Das Drehorgelfestival am Reeser Rheinufer warb für eine seltene Musikkunst. Doch die Sonne machte den alten Instrumenten zu schaffen.

 Direkt vorm Rhein traten die Drehorgelspieler auf.

Direkt vorm Rhein traten die Drehorgelspieler auf.

Foto: Michael Scholten

Die weiteste Anreise zum Reeser Drehorgelfestival nahm Amanda Liberty aus England auf sich. Acht weitere Leierkastenspieler kamen aus Unna, Wuppertal, Leverkusen und anderen NRW-Städten, um der Einladung der Organisatoren, Burkhard und Michaela Hochstraß aus Mehr, zu folgen. Sie stellten am Wochenende ihre Drehorgeln auf der Rheinpromenade ab und spielten verschiedenen Stücken, vom uralten Klassiker bis zum aktuellen Hit, dem Walfänger-Shanty „The Wellerman“. Die Musikstücke gingen den Teilnehmern dabei nicht aus: Allein der „Leierkasten-Robby“ aus Unna besitzt 133 Rollen mit 475 Musikstücken.

Auf der Rheinpromenade war es voll und so durfte sich auch das Drehorgelfestival durchgehend über Besucher freuen, die zuhörten, manchmal sogar ein Tänzchen wagten und die Gelegenheit nutzten, den Experten viele Fragen zu stellen. Die Sparkasse Rhein-Maas und die Stadt Rees übernahmen einen großen Teil der GEMA-Gebühren, die bei öffentlichen Musikveranstaltungen stets anfallen. Die letzte Lücke füllten die Drehorgelspieler durch Spenden, wobei sie den Überschuss von 180 Euro am Ende den SOS-Kinderdörfern spendeten.

Das Spielen der Drehorgeln, die seit Beginn des 18. Jahrhunderts in Europa durch Straßenmusiker bekannt wurde, ist also eine „brotlose Kunst“, die ihre Fans allerdings nicht missen möchten: Immer einer nach dem anderen ließ den liebevoll gestalteten Leierkasten erklingen. Die vielen Sonnenstunden erwiesen sich dabei jedoch als Herausforderung. „Wenn die Orgelpfeifen, egal ob aus Holz oder Metall gebaut, warm werden, kommt es zu Verstimmungen in der Tonqualität“, sagt Ralf Wolske-Böttcher aus Unna. Die Lösung war schnell gefunden: Die Leierkästen und ihre Spieler drehten sich um 180 Grad, blickten nun nicht mehr auf den Rhein, sondern auf die Stadtmauer, und bildeten so mit ihren Körpern zugleich den Schutz für die empfindlichen Instrumente.

„Heute ist Musik allgegenwärtig, weil wir nur das Radio anstellen müssen, aber früher war das eine Sensation, wenn aus einem Leierkasten plötzlich Musik kam“, sagt Burkhard Hochstraß. Die ältesten Modelle der Drehorgeln funktionierten mit einer Stiftwalze. Diese wurde um 1910 durch das Lochband und die Lochkarte abgelöst. Durch das Kurbeln bewegt der Spieler nicht nur einen Blasebalg, sondern zieht auch das Lochband über einen sogenannten Spieltisch. Je nachdem, wo sich ein Loch auf diesem Papierband befindet, öffnet sich ein Ventil und bläst Luft durch eine der Orgelpfeifen. „Man muss nur gleichmäßig kurbeln, das ist ein bisschen Übungssache“, sagt Burkhard Hochstraß, der sich als gelernter Elektrotechniker seit 2017 zum Experten für die historischen Instrumente entwickelt hat.

Im nächsten Jahr möchten die Drehorgelspieler wieder nach Rees kommen, und Burkhard Hochstraß ist durchaus bereit, die Organisation erneut zu übernehmen. Er wünscht sich jedoch, dass sich jemand findet, der die gesamte GEMA-Gebühr übernehmen möchte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort