Kommentar Dinner for Drei
Emmerich · Nehmen wir mal an, Emmerich, Rees und Isselburg wären Schwestern. Und sie säßen am letzten Tag des Jahres bei einem Silvester-Abendessen zusammen.
Frau Emmerich hätte vermutlich ihre beiden Schwestern zu sich nach Hause eingeladen, weil bei denen mittlerweile Schmalhans Küchenmeister ist.
Sehr sauber ist es bei Familie Emmerich zwar nicht immer, aber dafür ist der Tisch stets reichlich gedeckt.
Vielleicht sieht man es Frau Emmerich nicht an, weil sie nicht unbedingt eine Schönheit ist und auch nicht immer stilsicher. Aber: Die Gute ist nicht unvermögend. Und sie trägt das Herz am rechten Fleck. Sie hilft, wo sie kann. Gerne rümpft ihre kleine Schwester gelegentlich die Nase über sie. Schließlich ist Frau Rees immer adrett gekleidet und legt großen Wert auf ihr Äußeres. Aber das Geld ist knapp geworden in den vergangenen Jahren. Als sie noch nicht jeden Cent zweimal umdrehen musste, hat Frau Rees ihr Haus verschönert, Gärten angelegt und Kunst gesammelt. "Ja, die Frau Rees...", haben die Nachbarn gesagt. "Aus der ist was geworden. Daran kann man sich ein Beispiel nehmen."
Und jetzt?
Sogar das geliebte Freibad muss sie ihren Kindern wohl bald streichen. Ihr Konto bei der Sparkasse hat sie schon aufgelöst. Es war ja ohnehin nicht mehr viel drauf. Die Lage ist so verzweifelt, dass sie vor Kurzem eine delikate Einladung angenommen hat. Ihr neuer Verehrer verbrennt tote Menschen und möchte am liebsten bei ihr einziehen. Woanders sind solche Geschäftsmänner nicht gerne gesehen. Aber hat Frau Rees eine Wahl? Andere Leute mit Geld sind längst aus ihrem Leben verschwunden. Warum es also nicht mit einem Krematorium versuchen?
Frau Isselburg stimmt in die Klage ihrer Schwester ein. Auch sie ist pleite. Und nicht nur das. Es hängt auch noch permanent der Haussegen schief. Mit Ausdauer liegen sich die Isselburgs in den Haaren, wenn (Familien)Rat gehalten wird. Oft genügt schon eine Kleinigkeit und alle streiten sich. Meistens geht es ums Geld. Wenn eines der Kinder sich etwas wünscht, verlangt ein anderes eifersüchtig das Gegenteil. Nummer drei will aber das Sparschwein nicht rausrücken. Weshalb ihm Nummer vier droht, nie wieder mit ihm zu sprechen, während Nummer fünf brüllt, dass Frau Isselburg beim Klärwerk das Geld ja wohl zum Fenster hinauswerfe.
Und während Frau Rees und Frau Isselburg an diesem Silvesterabend betrübt an ihrem Weinglas nippen, kullert auch bei ihrer Schwester plötzlich ein Tränchen über die Wange.
"Ach", seufzt sie tief. "Schon vor zehn Jahren hat mir mein Josef ein Center auf dem Neumarkt versprochen. Aber immer kam etwas dazwischen. Ob er es wohl 2017 schafft?"