Der erste Schritt ist schon gemacht Warum die Stadt Rees jetzt eine Hansestadt werden möchte

Rees · Der Historiker Dr. Veit Veltzke referierte im Kulturausschuss über die früheren Reeser Beziehungen zur Hanse. Die Stadt möchte Mitglied im Städtebund „Die Hanse“ werden

Die Kamper Kogge, ein Nachbau mittelalterlicher Handelsschiffe, gilt als größte Attraktion bei Hansefesten in ganz Europa.

Foto: Veit Veltzke

Der erste Schritt für einen Reeser Beitritt zur Hanse ist gemacht: Der Kulturausschuss sprach in seiner jüngsten Sitzung einstimmig die Empfehlung aus, dass der Haupt- und Finanzausschuss am 5. Dezember eine Mitgliedschaft der Stadt Rees im internationalen Städtebund „Die Hanse“ mit Sitz in Lübeck beantragt. Vorausgegangen war ein Vortrag des Weseler Historikers Dr. Veit Veltzke sowie ein Plädoyer des Bürgermeisters Sebastian Hense. „Die Hanse ist durchweg positiv besetzt, eine Mitgliedschaft bringt eigentlich nur Vorteile, vor allem für den Tourismus, den wir in Rees kontinuierlich ausbauen möchten“, sagte Hense. Er verwies auf fast 200 Kommunen, die der Hanse angehören und ein gutes Netzwerk bilden, von dem auch Rees profitieren könne.

Der Weseler Historiker Dr. Veit Veltzke stellte im Kulturausschuss die Ergebnisse seiner Forschungen über die historische Rolle der Stadt Rees für die Hanse vor. Im März 2024 hält er auf Einladung des Reeser Geschichtsvereins einen erweiterten Vortrag im Reeser Bürgerhaus.

Foto: Michael Scholten

Auch Dr. Veit Veltzke, promovierter Historiker und früherer Leiter des LVR-Niederrheinmuseums Wesel, wertete Rees als würdiges Mitglied der Hanse: „Rees hat Alleinstellungsmerkmale wie die frühneuzeitliche Befestigungsanlage, mit der sie punkten kann. Das ist ein besonderer Schatz, den keine andere Stadt zwischen Duisburg und Nimwegen aufweisen kann.“ Denkbar seien zum Beispiel Hansefeste oder Festspiele vor dieser mittelalterlichen Kulisse. Dafür könnten auch Fördergelder auf europäischer Ebene abgerufen werden, weil sich eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Hansestädten im Raum Oberijssel und Gelderland, also früheren Handelspartnern von Rees, anbietet.

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Voraussetzung für einen Beitritt zum Städtebund „Die Hanse“ ist jedoch, dass die Stadt Rees eine frühere Mitgliedschaft oder zumindest „Zugewandtheit“ zur historischen Hanse nachweisen kann. Der Reeser Heimatforscher Heinz Belting hatte im Frühjahr 2023 erste Beweise dafür vorgelegt und damit „offene Türen bei mir eingetreten“, sagte Bürgermeister Sebastian Hense. Er dankte Heinz Belting, der zur Sitzung des Kulturausschusses eingeladen worden war. Dr. Veit Veltzke stellte dort die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Recherchen vor und zog das Fazit, dass Rees seit 1540 eine „bevorzugte Beistadt in der von Wesel geführten klevischen Städtehanse“ war und „im Rahmen einer generellen Deklarierung der Beistädte als hansisch durch Lübeck 1547/60 bestätigt wurde.“

Laut Dr. Veltzke war Rees zwischen 1540 und 1585 sogar viermal der Tagungsort von insgesamt acht klevischen Hansetagen: 1567, 1572, 1576 und 1585 tagten die Delegierten im Rathaus am großen Reeser Marktplatz. „Dass das spätgotische Rathaus nicht aus für den Niederrhein typischen Backsteinen, sondern aus mittelrheinischem Tuffstein erbaut worden war, spiegelte den damaligen Reichtum der ältesten Stadt am unteren Niederrhein wider“, erklärte der Historiker. Der lateinische Beiname „Ressa Uber“, also das fruchtbare oder wohlhabende Rees, sei „nicht aus der Luft gegriffen“ gewesen. Der Reichtum sei vor allem auch auf die engen wirtschaftlichen Beziehungen mit den Niederlanden zurückzuführen.

Dr. Veltzke belegte außerdem eine Reeser Beteiligung an hansischen Aktivitäten, die bereits im 15. Jahrhundert und früher stattfanden. So fertigte der Nimwegener Stadtsekretär Henrick Poeyn beim Lübecker Hansetag im Mai 1540 die Abschrift eines historischen Registers aus Brügge an. Darin hieß es: „Dyt syn die gemeyne Stede van der duytzschen Anzen (Hanse)“. Unter den klevischen Städten tauchen dort auf: „Wesell, Duysborch, Ress, Kalker, Orsoy, Dynslak, Embrick, Cleve, Xanten.“ Rees wurde also immerhin an dritter Stelle genannt.

Zum Abschluss seines Vortrages stellte Dr. Veltzke die Familie „van Reesen“ vor, die von Rees aus zu einer europaweit agierenden Handelsgesellschaft anwuchs: „Für den Aufstieg dieser bedeutenden hansischen Fernkaufleute dürften bereits bestehende Handelskontakte innerhalb der prosperierenden Stadt Rees das Sprungbrett gewesen sein“, erklärte der Historiker. Der vielleicht prominenteste Spross war Bernhard van Reesen, der im Frühjahr 1521 in Antwerpen sogar von seinem Freund Albrecht Dürer porträtiert wurde. Das Bild hängt heute in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden. Bernhards jüngerer Bruder Heinrich van Reesen ließ ein riesiges Handelsschiff, den „Michel von Danzig“ bauen, das bis zu 8000 Tonnen Frachtgut nach Portugal bringen konnte.

Dr. Veltzke zeigte das Foto eines vergleichbaren Schiffes aus jener Zeit: Die Kamper Kogge ist ein nach historischen Plänen gebautes Segelschiff und gilt als besondere Attraktion bei heutigen Hansefesten. „Und vielleicht fährt die Kamper Kogge ja eines Tages auch nach Rees“, schloss Dr. Veltzke seinen Vortrag.