Jüdische Geschichte Die Erinnerungskultur am Leben halten

Emmerich · Am Montag führte die Bürgeraktion Pro Kultur Gesamtschüler aus Emmerich durch die Innenstadt. Es wurde über jüdische Orte und Familien gesprochen. Schließlich muss die Erinnerung wachbleiben.

 Die Verantwortlichen von Pro Kultur kamen mit den Emmericher Gesamtschülern über die jüdische Vergangenheit der Stadt ins Gespräch.

Die Verantwortlichen von Pro Kultur kamen mit den Emmericher Gesamtschülern über die jüdische Vergangenheit der Stadt ins Gespräch.

Foto: Emma Büns

Das Judentum blickt auf eine lange Geschichte in Emmerich zurück. Vor allem Viehhändler und Kaufmänner sorgten für jüdische Kultur in der Rheinstadt. Doch viele wurden durch die Nationalsozialisten vertrieben und in Konzentrationslager gebracht.

Mit diesem Thema setzt sich auch die zehnte Klasse der Gesamtschule Emmerich auseinander. Um die Unterrichtsreihe abschließen zu können, führte Irene Möllenbeck, Vorsitzende der Bürgeraktion Pro Kultur, die Schüler nun durch die Innenstadt. Unterstützt wurde sie dabei von Norbert Kohnen.

Zwei Touren haben die beiden Verantwortlichen von pro Kultur durchgeführt. Begleitet wurden sie von Lehrer Maximilian Edelbusch. Irene Möllenbeck zeigte sich begeistert über das Engagement der Schüler. „Bezüglich der Themen rund um das Judentum arbeiten wir schon sehr lange mit der Gesamtschule oder dem Willibrord-Gymnasium zusammen. Die Schüler und die zuständigen Lehrer sind auch total aktiv“, sagte sie. Die zehnte Klasse habe sich für die Führung „Lebendige Gesichte vor Ort“ angemeldet, um die Unterrichtsreihe zum Nationalsozialismus und Holocaust zu vervollständigen. Dazu eigne sich die eigene Heimatstadt ausgezeichnet, so die Vorsitzende.

Am Rathausplatz starteten die Führungen, es folgte der Gang in die Steinstraße. „Es ist bemerkenswert, wie viel zum Judentum fußläufig erreicht werden kann. Wir haben in Emmerich eine sehr große Erinnerungskultur“, meint Irene Möllenbeck. Die jüdische Geschichte in Emmerich lässt sich bis ins 16. Jahrhundert verfolgen, doch auch vorher haben einige jüdische Familien in Emmerich gewohnt und gearbeitet. „Doch die jahrhundertelange Geschichte der Juden ging durch den ganzen Nazi-Terror unter. Wir wollen an ihre Geschichte erinnern“, sagt die Pro Kultur-Vorsitzende.

Gesagt, getan. Zuerst wurde an der Metzgerei Bauhaus in der Steinstraße gehalten. Die Metzgerei gehörte früher der Familie Mathhey, ein christlicher Haushalt. Doch der Sohn, Johann Matthey, verliebte sich in eine Jüdin. „Früher waren Mischehen verboten. Die Christen wurden aufgefordert, sich von ihren jüdischen Partnern zu trennen. Das Drangsalieren und Terrorisieren der jüdischen Bewohner hat so begonnen. Zu diesem Zeitpunkt durften die Bürger außerdem in keinen jüdischen Geschäften mehr einkaufen“, erzählte Möllenbeck den Schülern.

Johann Matthey habe sich geweigert, seine jüdische Frau zu verlassen. Dadurch wurde das Haus der Familie zwangsverkauft, das Paar wurde später in das Durchgangslager Westerbork gebracht. „Daran sieht man, dass nicht nur jüdische Menschen, sondern auch alle, die etwas mit ihnen zu tun hatten, von der Gesellschaft getrennt und terrorisiert wurden. Das ist die sogenannte Rassentrennung gewesen“, so die Vorsitzende. Die Eheleute haben den Krieg allerdings überlebt und sind nach Duisburg gezogen.

Die Stolpersteine, die sich von der Steinstraße bis hin zum Nonnenplatz ziehen, wurden ebenfalls thematisiert. Auf ihnen stehen Namen und Daten jüdischer Bürger. „Die jüdische Familie Lilienfeld ist ein Beispiel dafür, dass die Mehrheit jüdischer Familien in Konzentrationslagern umgekommen ist, unter ihnen junge Kinder. Die Tochter der Familie Lilienfeld, Eva Berta, war gerade einmal 15 Jahre alt, als sie starb“, sagte Norbert Kohnen.

Die älteste Familie in Emmerich sei ebenfalls von jüdischer Abstammung gewesen: Die Kaufmannsfamilie Gompertz führte ein Schuhgeschäft in der Steinstraße und gründete die Klever Synagoge. „Im Jahre wurde der Familie aber auch das Geschäft durch die Arisierung entrissen. Danach ist die Familie heimlich nach Amerika geflohen“, so Kohnen.

Der Kontakt zu vielen Vertriebenen riss nie ab. „Wir haben einen guten Kontakt zu den Nachkommen der Familie Gompertz. Sie haben die Stolpersteine ihrer Vorfahren bereits in Emmerich besucht. Das verdeutlicht, dass jüdische Familien nach wie vor in Emmerich präsent sind. Das stärkt uns von Pro Kultur in unserem Handeln und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, so Irene Möllenbeck.

Besucht wurden bei der Führung nicht nur die Stolpersteine und die ehemaligen Geschäfte, sondern auch die Gesamtschule, die früher eine jüdische Schule war, sowie der Standort der alten Synagoge in Emmerich.

Für Lehrer Maximilian Edelbusch ist die Erinnerungskultur von großer Bedeutung. „Seit dem Spätsommer haben wir uns mit den jeweiligen Unterthemen des Holocausts und des Nationalsozialismus beschäftigt. Damit wir das Thema nun abschließen können, wollten wir als Klasse den Bezug zur Emmericher Geschichte des Judentums herstellen und mehr über die jüdischen Bewohner erfahren, die hier lebten“, so Edelbusch.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort