Serie Der alte Bahnhof in Elten

Elten · „Mannis kleines Museum“ hat Bilder von der Eisenbahn, wie es sie früher einmal in Elten gab.

 Vor dem 1. Weltkrieg: Gemütliche Runde vor dem Wartesaal der 1. und 2. Klasse mit dem Zollbeamten Schaum (re).

Vor dem 1. Weltkrieg: Gemütliche Runde vor dem Wartesaal der 1. und 2. Klasse mit dem Zollbeamten Schaum (re).

Foto: Mannis Museum

Am 15. September 1845 wurde durch die „Allerhöchste Cabinets-Order“ die Genehmigung für eine Bahn-Anlage erteilt, die von Oberhausen über Wesel-Emmerich-Elten bis in die Niederlande nach Arnheim führen sollte. Politische Unruhen und Geldmangel trugen dazu bei, dass sich der Bau der Bahn verzögerte. Im Jahr 1851 wurde zwischen Preußen und Holland ein Staatsvertrag geschlossen, an dessen Zustandekommen Gisbert Lensing, Kanonikus des Emmericher Martinistiftes, und der Eltener Bürgermeister Andreas Jansen wesentlich beigetragen haben.

1856 gab es endlich den Bahnhof Elten. Die preußische Landesregierung forderte, dass der Bahnhof aus Holz gebaut werden sollte. Die Holländer wollten ein eigenes Gebäude, bekamen es aber nicht, so dass zwei Nationen unter einem Dach den Bahndienst vollziehen mussten. Das Gebäude war zweistöckig. Im Obergeschoss hatte der Stationsvorsteher seine Dienstwohnung, unten befanden sich Fahrkartenausgabe und Nachrichtenübermittlung – per Morsezeichen wurden dem Bahnwärter am nächsten Bahnübergang die Abfahrtszeiten der Züge angekündigt -, zwei Wartesäle, die gemeinsame Zollabfertigung und ein Geräteschuppen.

 So sah der Bahnhof aus, der Anfang der 70er Jahre abgerissen wurde.

So sah der Bahnhof aus, der Anfang der 70er Jahre abgerissen wurde.

Foto: Mannis Museum

Es bestand das Zweiklassensystem. Der Wartesaal für die 3. und 4. Klasse hatte einen mausgrauen Dielenfußboden. „Das Spucken auf den Boden ist streng verboten“, stand auf einem Schild. Den Tabakkauern standen hölzerne Spuckbecken, gefüllt mit weißem Sand, zur Verfügung. Die Wände waren weiß gekalkt, die Passagiere warteten an einfachen Tischen mit Bänken ohne Rückenlehne. So mancher vertrieb sich die Wartezeit an der Theke mit einem „deutschen Klaren“ oder einem „Holländischen Genever“. Die „Personen niederen Standes“ wurden durch einen roten Plüschvorhang von den Passagieren der 1. und 2. Klasse getrennt. Am „Buffet“ gab es neben Bier und Cognac auch buntschillernde Liköre, in einer Vitrine waren Schokoladenerzeugnisse der Fabrik Lohmann & Neugebaur und Flacons mit „Echt Eau de Cologne“ ausgestellt. Die Tische waren mit bunt geblümten „Tafelkleidern“ bedeckt. Am runden Kirschbaumtisch, der nur für Honoratioren reserviert war, wurde über Dorf-, Staats- und Bahnpolitik diskutiert.

                             Der erste Bahnhof in Elten wurde aus Holz gebaut.

Der erste Bahnhof in Elten wurde aus Holz gebaut.

Foto: Mannis Museum

Die Zollabfertigungshalle glich auf den ersten Blick einer Rennbahn. Ein langer, mit Eisenbändern beschlagener Tisch, der sich im ovalen Rund durch die Halle zog, war das Hauptinventar des Raumes. Dazu gab es eine Gepäck- und Stückgut-Waage und ein Schreibtisch.

 Letztes Stellwerk in Elten.

Letztes Stellwerk in Elten.

Foto: Mannis Museum

Die Abfahrt des Zuges erfolgte nach einem strengen preußischen Reglement: Der „Oberkondukteur“ verkündete: „Wir fahren jetzt ab. Die Passagiere mögen die Waggons besteigen und die Türen schließen.“Dann fragte er: „Aller fertig?“ Darauf kam die Meldung vom Lokomotivführer: „Vorne alles fertig!“. Dann die Bestätigung des Oberkondukteuren: „Hinten alles fertig!“ Nach der Meldung des Stationsvorstehers: „Der Zug kann jetzt abfahren!“ entrollte der Oberkondukteur die rote Signalflagge, winkte damit dem Lokomotivführer, schwang mit der anderen Hand eine große Handglocke und rief: „Abfahren!“ In diesem Augenblick nahmen alle Personen auf dem Bahnsteig stramme Haltung an und legten ihre Hand zum Gruß an die Kopfbedeckung.

Wenn es etwas Besonderes zu sehen gab und die Bahnleute den Tip weitergegeben hatten, standen alle Eltener festlich gekleidet am Bahnhof. So, als 1908 der Schah von Persien, Mohammed Ali, nach Holland reiste, um die niederländische Königin zu besuchen, und als im April 1921 der Sarg mit der verstorbenen letzten deutschen Kaiserin Auguste Victoria vom holländischen Doorn zur Beisetzung nach Potsdam überführt wurde.

Im Jahre 1932 wurde das hölzerne Bahnhofsgebäude ein Raub der Flammen. Danach erfolgte die zollamtliche Zugabfertigung in einem massiven Steinbau, der an der Strecke errichtet worden war. Als in den 50er/60er Jahren vermehrt Autobusse die Leute von Elten aus nach Emmerich oder Holland brachten, wurde die Eisenbahnstation Elten 1966 ohne Diskussion im Fahrplan gestrichen. Die Züge in beiden Richtungen rauschten an Elten vorbei.

Seit Juli 2019 heißt es wieder: „Nächster Halt: Elten“. Diese Ansage hatten Bahnreisende schon lange nicht mehr gehört. 53 Jahre lang war der Ortsteil vom Personentransport auf der Schiene abgehängt.

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