Emmerich Benachteiligungen in der Sprache sind Alltag

Emmerich · Emmerichs Gleichstellungsstelle wird 25 Jahre alt, und morgen ist Weltfrauentag. Wie ist das Feld der Gleichberechtigung heute bestellt?

 Die Gleichstellungsbeauftragte Elisabeth Schnieders sagt: Frauen fehlen immer noch Netzwerke und Seilschaften.

Die Gleichstellungsbeauftragte Elisabeth Schnieders sagt: Frauen fehlen immer noch Netzwerke und Seilschaften.

Foto: Markus van offern

Nach einem Vierteljahrhundert gibt es neue Themen und solche, die heute wie damals auf dem Tisch liegen. Gleichzeitig kommt es vor, dass auch Männer auf den Plan treten, die sich benachteiligt fühlen. Elisabeth Schnieders, seit 17 Jahren Gleichstellungsbeauftragte, blickt zurück und nach vorn.

Wo sehen Sie heute die größten Baustellen in Sachen Gleichstellung?

Schnieders In den letzten Jahren arbeiten wir intensiv zum Thema ,Häusliche Gewalt'. Wir schauen genau hin, ob wir hier in Emmerich zum Beispiel Fortbildungen für Kindergärtnerinnen brauchen oder nicht. Auch die Teilzeitausbildung für Frauen ist gerade sehr interessant, da arbeiten wir im Netzwerk mit der Arbeitsagentur in Kleve und anderen Partnern. Früher war es ein großes Thema, was wir für ausländische Frauen tun können.

Als Sie selbst vor 17 Jahren Ihre Stelle angetreten haben — was war da anders, als Sie es sich vorgestellt hatten? Womit hatten Sie nicht gerechnet?

Schnieders Was anfangs sehr schwer war, waren diese ,hochgezogenen Augenbrauen'. Zum Beispiel, wenn es um geschlechtergerechte Sprache ging - da hieß es, warum soll das denn jetzt so wichtig sein, ob die Frauen jetzt mit erwähnt werden oder nicht. Es gab solche Widerstände. Auch bei Themen wie sexueller Belästigung am Arbeitsplatz oder Mobbing. Da hat sich viel verändert, die Themen werden heute viel mehr akzeptiert als früher. Und es wird mehr zugehört.

Gibt es Dinge, die Ihnen in Emmerich immer wieder auffallen? Dinge, die Sie immer wieder stören?

Schnieders Die Sprache. Da müssen wir immer wieder ran, Frauen werden oft einfach ,weggelassen'. Und die ,Frauengerechte Stadtplanung': Die Unterführung am Löwentor gibt es jetzt schon so lange, das ist ein Angstraum, und da passierte noch nichts. Das stört mich schon. Außerdem ist viel getan worden im Bereich der Kinderbetreuung, aber die Arbeitswelt hat sich mit Schicht- und Wochenendarbeit verändert. Da muss man immer wieder hinschauen.

Kommt es vor, dass Sie mit Gleichstellungsanliegen auf Widerstände stoßen? Dass Menschen genervt reagieren?

Schnieders Ab und zu kommt die Frage: ,Und wo ist der Gleichstellungsbeauftragte? Sie müssen sich doch auch mal für die Männer einsetzen!'

Verstehen Sie das?

Schnieders In Einzelfällen schon. Wenn ein Mann in die Elternzeit geht, hat er beim Wiedereinstieg in den Beruf natürlich die gleichen Probleme wie eine Frau. Aber die Gleichstellungsarbeit konzentriert sich nun mal auf Frauen und Mädchen. Auch deshalb, weil Frauen nicht die gleichen Netzwerke und Seilschaften haben wie Männer, um ihr Leben so zu gestalten, wie sie es sich wünschen.

Glauben Sie, dass so etwas wie eine "Gleichstellungsstelle" für Männer nötig wäre?

Schnieders Ich glaube, so schnell ist das nicht nötig. Es gibt immer genügend Leute, die ein Auge auf die Interessen der Männer haben. Man sagt, das Jungenbild in der Gesellschaft sollte sich ändern, aber das wäre eher eine Sache der Jugendarbeit. Gleichstellungsarbeit ist so definiert, dass Frauen im Fokus sind. Und ich merke, dass es wichtig ist, dass da jemand genau hinschaut. So, wie es schließlich auch in anderen Bereichen Beauftragte gibt, die jeweils ein Spezialgebiet haben.

Was macht Ihnen Freude?

Schnieders Ich freue mich, wenn ich eine Frau gut beraten kann. Wenn sie aus meinem Büro geht und sagt: Danke, Sie haben mir geholfen. Oder, wenn man Vertrauen in mich setzt - manchmal wenden sich Menschen an mich, die einfach etwas loswerden wollen. Oder Dinge wie der Tag gegen Häusliche Gewalt im letzten Jahr: Zu merken, dass sich etwas entwickelt, das ist ein gutes Gefühl.

SINA ZEHRFELD FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP/rl)
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