Unglück vor 70 Jahren Die Tragödie von Rees

REES · Am 27. Dezember 1949 ertranken zehn meist junge Menschen in Rees. Sie hatten gefeiert und waren beim Übersetzen mit einem Kahn bei starkem Wind und Regen gekentert. An das Unglück soll bald eine Gedenkplakette erinnern.

 Blick von der Reeserschanz auf die Reeser Rheinpromenade, die noch stark vom Zweiten Weltkrieg gezeichnet ist. Das Foto dürfte in den frühen 50er Jahren entstanden sein, wenige Jahre nach dem Bootsunglück.

Blick von der Reeserschanz auf die Reeser Rheinpromenade, die noch stark vom Zweiten Weltkrieg gezeichnet ist. Das Foto dürfte in den frühen 50er Jahren entstanden sein, wenige Jahre nach dem Bootsunglück.

Foto: Ressa

 (ms) Heute vor 70 Jahren, am 27. Dezember 1949, ereignete sich auf dem Rhein vor Rees ein Unglück, bei dem zehn Menschen ihr Leben verloren. Die meisten waren nicht älter als 21 Jahre. Der Reeser Geschichtsverein zeichnet in seinem aktuellen Jahrbuch „Reeser Geschichtsfreund“ das folgenreichste Bootsunglück in der Stadtgeschichte nach und will Anfang 2020, in Kooperation mit der Stadt Rees, eine Gedenktafel an der Rheinpromenade anbringen lassen.

Den Anstoß gab Dieter Roos. Der Reeser sprach den zweiten Vorsitzenden des Geschichtsvereins, Klaus Kuhlen, auf den nahenden Jahrestag des Unglücks an. Kuhlen begann daraufhin mit der Recherche im Stadtarchiv, suchte nach Zeitungsberichten und befragte Zeitzeugen.

Aus diesen Mosaiksteinen ergab sich folgendes Bild des tragischen Geschehens: Am Abend des zweiten Weihnachtstages 1949 besuchten mehrere Reeser eine Tanzveranstaltung in einem Ausflugslokal auf der linksrheinischen Reeserschanz. Eine halbe Stunde nach Mitternacht wollte die Gruppe dann wieder nach Rees zurückkehren. Dafür nutzte sie, trotz eindringlicher Warnungen, einen 4,80 Meter langen und 1,40 Meter breiten Holzkahn. Doch der erwies sich bei starkem Wind und Regen als schwer steuerbar.

„Infolge der Überlastung kam es zu einer Katastrophe in Höhe des Rheinhotels Disch, wo die ersten Hilfeschreie vernommen wurden“, berichtete später eine lokale Zeitung. „Ein Polizist alarmierte sofort den Fährmann Gerhard Hürkens, der sich mit seinen Söhnen auf dem Fährboot an das Rettungswerk begab. Es gelang ihm, zwei mit den Wogen Kämpfende zu retten, vier weitere Teilnehmer an der Unglücksfahrt retteten sich durch Schwimmen an das rechte Rheinufer.“

Auch die Wasserschutzpolizei rückte mit mehreren Booten aus Emmerich und Wesel an, suchte den Rhein, das Ufer und die Kribben mit Scheinwerfern ab und barg bei Rheinkilometer 848 den menschenleeren Kahn. Überlebende fand die Wasserschutzpolizei keine.

70 Jahre später sind auch die sechs Menschen verstorben, die das Bootsunglück auf dem Rhein überlebten. Klaus Kuhlen sprach mit der 90-jährigen Cäcilie Diederichs. Sie ist die Witwe von Helmut Diederichs, der sich damals schwimmend ans Reeser Ufer retten konnte. Er eilte sofort nach Hause, zog sich um und legte sich ins Bett. Später klingelte ein Polizist bei Familie Diederichs und erzählte Helmuts Mutter, dass ihr Sohn vermutlich ertrunken sei. Doch die Mutter erwiderte wahrheitsgemäß: „Nein, der liegt im Bett.“

Laut Cäcilie Diederichs hat ihr Mann Zeit seines Lebens nicht über jene Unglücksnacht sprechen wollen. Das mag auch den gesellschaftlichen Konventionen der frühen Nachkriegsjahre geschuldet sein. „1949 wurde es als frevelhaft angesehen, am zweiten Weihnachtstag zum Tanz zu gehen“, schreibt Klaus Kuhlen im „Reeser Geschichtsfreund“. Der Tabubruch verführte auch so manchen Reeser dazu, von einem „Gottesurteil“ zu sprechen, mit dem die jungen Leute bestraft werden sollten.

„Mit 70 Jahren Abstand sieht man das nüchterner“, sagt Klaus Kuhlen. Er hat im Namen des Reeser Geschichtsvereins einen Antrag bei der Stadt Rees gestellt, mit einer Gedenktafel an das Unglück vom 27. Dezember 1949 erinnern zu dürfen. Die Stadt hat dies inzwischen genehmigt ein entsprechendes Schild herstellen.

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