Corona-Schutzverordnung Eine Lücke im System

In Marienheim Haldern hat eine Bewohnerin die Einrichtung auf eigene Faust für Spaziergänge verlassen. Die jetzt fällige Quarantäne darf das Heim nicht zwangsweise umsetzen. Behörden sehen sich als nicht zuständig an.

 Der Innenhof des St.-Marienheims in Haldern. Die Einrichtung hat Schwierigkeiten, die Corona-Schutzverordnung umzusetzen.

Der Innenhof des St.-Marienheims in Haldern. Die Einrichtung hat Schwierigkeiten, die Corona-Schutzverordnung umzusetzen.

Foto: Markus Balser

Dass Pflegeheime in Zeiten der Corona-Epedimie besonders verwundbar sind, haben nicht zuletzt die Fälle in Würzburg, Wolfsburg und auch in Emmerichs US-amerikanischer Partnerstadt Kirkland mit vielen Toten gezeigt, die dem Virus zum Opfer fielen. Kein Wunder also, dass für solche Einrichtungen die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr besonders zahlreich und strikt sind. Das Besuchsverbot von Angehörigen und ein erweitertes Kontaktverbot im öffentlichen Raum gehören unter anderem dazu. Aber was passiert, wenn Bewohner die Maßnahmen unterlaufen? Was muss und was darf geschehen? Und wer setzt es um? Genau das sind die Fragen, mit denen sich derzeit das St. Marienheim in Haldern konkret auseinandersetzen muss, seit sich eine Bewohnerin nicht an die Vorgaben der Corona-Schutzverordnung hält, die in dem Haus gelten.

Und darum geht es: Schon vor Ostern hatte die Heimleitung von St. Marien festgestellt, dass sich eine ältere Dame, die dement ist und in dem Heim lebt, nicht an die Vorgabe hält, im Heim zu bleiben. Bereits mehrfach hatte sie zunächst unbemerkt die Einrichtung verlassen und war durchs Dorf spaziert.

Laut der Corona-Schutzverordnung ist dies jedoch nicht erlaubt. Es gelten so genannte erweiterte Kontaktverbote. Das heißt, Bewohner dürfen nur in Begleitung von Personal oder anderen Bewohnern die Einrichtungen verlassen. Kontakte im öffentlichen Raum zu weiteren Personen sind dabei allerdings ausdrücklich nicht gestattet.

Ob die Frau auf ihren Ausflügen alleine blieb, mit wem sie Kontakt hatte, weiß niemand genau. Und wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass es Kontakte außerhalb der Einrichtung gab, muss sich der betreffende Bewohner für 14 Tage in „Selbstquarantäne“ begeben, was einer Isolation mit absolutem Kontaktverbot gleich kommt.

Doch das St.-Marien-Heim steckt jetzt in einem Dilemma. Denn auch wenn die Heimleitung für die Umsetzung der Quarantäne verantwortlich ist, darf sie sie nicht zwangsweise vollstrecken. „Die Frau hat sich bislang nicht einsichtig gezeigt, ob bewusst oder ob sie die Hintergründe nicht versteht, kann ich nicht sagen. Deshalb müssen wir damit rechnen, dass sie immer wieder versuchen wird, die Einrichtung zu verlassen. Wir können aber keine Türen verschließen oder jemanden ans Bett fesseln. Das wäre eine freiheitsentziehende Maßnahme, die nur gerichtlich angeordnet werden darf“, erklärt Johannes Fockenberg.

Der Geschäftsführer von St. Marien will die Frau nicht vor die Tür setzen, hat aber auch Sorge um seine Mitarbeiter und die weiteren Bewohner. „Man hat ja andernorts gesehen, was passiert, wenn das Virus von außen in eine Einrichtung hineingetragen wird“, sagt er. Fockenberg hat sich deshalb an das Gesundheitsamt des Kreises Kleve gewandt, das laut Corona-Schutzverordnung die zwangsweise Vollstreckung der Quarantäne per Gerichtsbeschluss anweisen kann. Doch die Behörde verwies stattdessen auf das Reeser Ordnungsamt. Und dieses wiederum teilte Fockenberg mit, dass die Frau, so lange sie nicht krank ist oder der Verdacht auf eine Infektion bestünde, nicht aus der Einrichtung herausgenommen werden könne, sondern vom Heim innerhalb des Hauses isoliert werden müsse, was ja nicht geht.  Für Johannes Fockenberg eine Lücke innerhalb der Corona-Schutzverordnung. „Wenn es tatsächlich so ist, dass erst bei einer Erkrankung oder dem Verdacht auf eine Infektion gehandelt werden kann, frage ich mich, wozu unsere bisher getroffenen Maßnahmen überhaupt gut sind“, sagt er. Er will klare und rechtssichere Vorgaben, um auch weiterhin Gefahren von seinem Haus abwenden zu können und hat sich bereits an Karfreitag an das NRW-Gesundheitsministerium gewandt, aber noch keine Antwort erhalten. „Ich bin mir sicher, dass wir nicht die einzige Einrichtung im Land sind, die dieses Problem hat“, sagt Fockenberg.

(Markus Balser)
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