Juden aus Emmerich Stolz auf die Emmericher Wurzeln

Emmerich/Anniston · Die Familie von George Nathan wurde aus Emmerich vertrieben, weil sie jüdischen Glaubens war. Dennoch hat der heute 72-Jährige US-Amerikaner die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt und jetzt auch erhalten.

 George Nathan ist stolz auf seine Emmericher Wurzeln.

George Nathan ist stolz auf seine Emmericher Wurzeln.

Foto: Familie Nathan

(RP) Wenn George Nathan, ein Unternehmer aus Anniston (USA) mit deutschen Wurzeln, an seinen ersten Besuch in der Heimatstadt seiner Vorfahren im Jahre 1992 denkt, dann ist ihm eine Begegnung ganz besonders in Erinnerung geblieben: „Meine Frau Barbara und ich gingen gemeinsam mit Herbert Schüürman durch Emmerich. Herbert traf eine Frau und stellte uns vor. Sie antwortete: ,Wir alle kennen den Namen Nathan.´ Besser können wir es uns nicht wünschen.“

Georges Eltern wurden in Emmerich geboren und von den Nazis vertrieben und deportiert. Doch den Sohn hat das Schicksal seiner Familie nicht verbittert. Ganz im Gegenteil.

Vor allem den Namen Herbert Schüürman halten die Nathans hoch in Ehren: „Er hat unsere familiäre Verbindung zu Emmerich erst wieder hergestellt. Unsere Familie schuldet ihm etwas, das wir nie zurückzahlen können.“ Wie eng die Verbundenheit mit dem Heimatland seiner Eltern ist, beweist auch die Tatsache, dass der 71-Jährige die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hat. Ein besonderes Programm ermöglicht es, dass Nachfahren von deutschen Holocaust-Überlebenden die Wiedereinbürgerung beantragen können.

Heinz Nathan, der Vater von George, war bereits im Mai 1936 mit seiner Schwester Herta nach Anniston emigriert. Als Soldat der US-Armee erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft schon 1943. Georges Mutter Sophie Nathan wurde im Dezember 1941 vom „Alten Schlachthof“ in Düsseldorf gemeinsam mit ihrer Schwester Emmi und ihren Eltern Thea und Georg nach Riga deportiert. Während Georg Nathan in Riga starb, überstanden die drei Frauen alle Qualen und gelangten über Schweden nach Amerika. 1949 erhielt Mutter Sophie den amerikanischen Pass.

Zu Hause sei konsequent nur Englisch gesprochen worden, erinnert sich George Nathan: „Meine Mutter hat über ihre Zeit in Deutschland nur gesprochen, wenn wir Fragen gestellt haben, und es waren nur wenige Fragen, denn wir sahen den Schmerz, den sie auslösten.“ Er ist sich ziemlich sicher, dass er die deutsche Staatsbürgerschaft nicht beantragt hätte, wenn seine Mutter noch leben würde: „Sie hätte das als Verrat empfunden.“ Aber George ging den langen, über zwei Jahre dauernden Weg, der mit viel Papierkram am deutschen Generalkonsulat in Atlanta verbunden war: „Durch die Recherchen von Herbert Schüürman konnte ich relativ einfach die erforderlichen Geburtsurkunden meiner Eltern und Großeltern besorgen.“

Die Familie steht hinter Georges Entscheidung: „Vielleicht machen meine Söhne später auch mal von dieser Möglichkeit Gebrauch.“ Er sei „stolz auf Emmerich und seine deutschen Wurzeln.“ In der jüdischen Gemeinde hat er nichts über seine zweite Staatsbürgerschaft erzählt: „Weder publiziere ich das noch verstecke ich es.“ Als er schließlich die ersehne Urkunde in Händen hielt, war der Glücksmoment groß: „Ich war stolz, dass ein Nathan wieder ein deutscher Bürger ist.“

Nach 1992 waren der fünffache Großvater und seine Frau noch dreimal in Deutschland, zuletzt im Juni 2019 als Ehrengäste zur Eröffnung des jüdischen Kulturraums, den die Bürgeraktion Pro Kultur im PAN  etabliert hat: „Wir sind sehr dankbar, aber auch stolz  über diese Einrichtung, die die jüdische Geschichte in Emmerich ehrt und einen Raum bietet, in dem Menschen zu der Geschichte forschen können.“ Eine für das Jahr 2020 geplante Reise nach Deutschland ist coronabedingt ausgefallen, soll aber bald nachgeholt werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort