Bienen Abschied von der alten Schleuse

Bienen · Ein romantischer Ort: Mit Kunst und Erinnerungen wurde in Bienen ein historisches Bauwerk letztmalig gefeiert.

 Manches Paar nutzte den einst so romantischen Ort für ein letztes Erinnerungsfoto.

Manches Paar nutzte den einst so romantischen Ort für ein letztes Erinnerungsfoto.

Foto: Michael Scholten

Es gab viele gute Gründe für die Bienener, ein Abschiedsfest für ihre alte Schleuse auszurichten: Das Gedenken an die deutschen und kanadischen Soldaten, die im März 1945 beim Gefecht an der Schleuse ihr Leben ließen. Vielleicht auch die Erinnerung an den ersten Kuss oder an die erste Zigarette – jeweils heimlich, ohne Einwilligung und Wissen der Eltern, am Ortsrand genossen.Und natürlich die Dankbarkeit für den Hochwasserschutz, den der Deich und die Schleuse mehr als 100 Jahre lang boten. Jetzt wird ein neuer Deich gebaut – und deshalb muss die historische Schleuse einem modernen Bauwerk weichen.

Vor zwei Jahren schlug Roswitha Lohmann vor, den Abschiedsschmerz durch ein Schleusenfest zu lindern. Die Heimatfreunde Bienen-Grietherbusch-Grietherort griffen die Idee auf und richteten nun, da der Abbruch der dicken Mauern bevorsteht, eine Feier mit Geschichte(n), Kunst und Musik aus. Der Vorsitzende Hans Schlaghecken und Ortsvorsteher Friedrich Freiherr von Wittenhorst hießen die Gäste zunächst in der Kirche St. Cosmas und Damian Willkommen.

Der Ortsvorsteher nannte den bevorstehenden Abriss der Schleuse „schade, aber im Hinblick auf die Anforderungen eines modernen Hochwasserschutzes notwendig”.

Vier Künstler stellten in den Seitenschiffen der Kirche ihre persönliche Auseinandersetzung mit der Schleuse und dem Element Wasser aus. „Wasser ist die Quelle allen Lebens, aber kann auch eine zerstörerische Wirkung haben“, sagte Annemarie Schott-Reintjes in ihren einleitenden Worten. Karl Reintjes setzte sein 190 mal 190 Zentimeter großes Werk „Wasser, Kunstharz auf Segeltuch“ mittels Lichtinstallation in Szene. Dafür hatte er Farben aus drei Meter Höhe auf Segeltuch fließen lassen und alles mit großflächiger Ornamentik übermalt. Rainer Heuser wählte für seine Bilder verschiedene Stilrichtungen aus den mehr als 100 Jahren, in denen die 1920 erstmals urkundlich erwähnte Schleuse wie ein Bollwerk zwischen Altrhein und Bienen stand. Roswitha Lohmann und ihr Mann Jürgen erinnern sich gut an das Jahr 1996, als das Wasser nur 80 Zentimeter unter der Deichkrone stand und ihr Haus am Deich gerade noch verschont blieb. Die Gemütslage zwischen Hoffen und Bangen verarbeitete die Künstlerin in ihrem Bild „binnen und bütten“. Christina Büsen fertigte aus Schrott, der beim Abbau des alten Deiches zu Tage trat, Skulpturen, die sie in Kombination mit bearbeiteten Fotografien der Schleuse auf großen Acryl-Dibond-Platten präsentierte. Alle Schleusen-Kunstwerke sind vom 1. bis 10. August auch in Christina Büsens Galerie in der Reeser Jungblutstraße 4 sehen.

Annemarie Schott-Reintjes zeigte in der Kirche eine Filmcollage mit historischen Bildern und betonte, dass Deich, Schleuse und Hochwasser nicht nur eine räumliche Nähe zur Kirche haben. „Ähnlich wie in meiner Heimat Vrasselt, wird auch der Kirchturm von St. Cosmas und Damian, der vor dem Zweiten Weltkrieg höher und spitzer war als heute, zur Warnung vor Hochwasser genutzt worden sein.“ So hätten etwa rote Petroleumlaternen am Kirchturm die Menschen vor einem Deichbruch in Bislich gewarnt, damit sie das Vieh auf höher gelegene Höfe und sich selbst auf Dachböden in Sicherheit hätten bringen können. Zum Glück blieb die Katastrophe 1925/26 aber aus, und am Turm brannten weiterhin die weißen Laternen.

 Zaungäste, die die Großbaustelle nicht betreten wollten, nahmen vom Nachbargrundstück aus Abschied von der Schleuse.

Zaungäste, die die Großbaustelle nicht betreten wollten, nahmen vom Nachbargrundstück aus Abschied von der Schleuse.

Foto: Michael Scholten

Bevor das Schleusenfest im Bürgerhaus gefeiert wurde, nutzten viele Bienener die Gelegenheit zum vielleicht letzten Besuch der Schleuse. Laut Deichverband-Geschäftsführer Holger Friedrich kann die alte Schleuse nicht in den modernen, um circa 20 Meter verlegten Deich integriert werden. Den Heimatfreunden sollen aber ausgewählte Teile des nicht unter Denkmalschutz stehenden Bauwerks überlassen werden. Wann die Schleuse endgültig abgerissen wird, steht noch nicht fest. Aktuell läuft das europaweite Ausschreibungsverfahren für die Betonarbeiten an der neuen Schleuse.

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