Marktschreier Wurst-Achim Er war der absolute Brüller

Duisburg · Joachim Pfaff lebte in Duisburg, aber er war mit seiner Salami immer unterwegs: auf den Wochenmärkten der Republik, wo er zu Wurst-Achim wurde, und wo keiner so laut war wie er, das hatte er schriftlich. Jetzt ist der 63-Jährige tot. Nachruf auf einen Mann, den die Leute liebten, weil er sie anschrie.

 Fast das gesamte Jahr über reiste Joachim Pfaff als Wurst-Achim von einem Wochenmarkt zum nächsten.

Fast das gesamte Jahr über reiste Joachim Pfaff als Wurst-Achim von einem Wochenmarkt zum nächsten.

Foto: van Offern, Markus (mvo)

Joachim Pfaff hat die Menschen angebrüllt und sie haben ihn dafür geliebt. Das ganze Jahr war er als Marktschreier unterwegs, in Schwaben, in Hamburg, im Rheinland oder in Niedersachsen, egal wo, Hauptsache, die Leute dort kauften seine Wursttüten. Pfaff, der sich selbst bloß Wurst-Achim nannte und zuletzt in Duisburg lebte, war auf den Märkten der Republik eine Kultfigur.

„Heute ist der Tag des Herrn, heute nehm ich eure Kohle gern“, brüllte er einmal. Das mag ruppig klingen, aber er meinte es nie so, manchmal warf er die Wurst auch einfach in die Menge. Pfaff war so laut, dass das Guinness-Buch der Rekorde ihn als das lauteste Lebewesen der Welt führte, gleich hinter einem Brüllaffen.

Jetzt ist Wurst-Achim tot. Er starb am Samstag im Alter von 63 Jahren bei einem Unfall. Auf dem Rückweg von einem Markt in Thüringen prallte er mit seinem Laster gegen eine Leitplanke der Autobahn A44. Ein Notarzt konnte später nur noch den Tod feststellen. Unter den vielen Videos im Netz, die Pfaff beim Brüllen und Verkaufen zeigen, wurden Beileidsbekundung hinterlassen. Ein Nutzer schrieb: „Jetzt kann er nur noch im Himmel schreien.“

Pfaff war als Wurst-Achim Teil der Gilde der Marktschreier, die sich selbst als älteste Gruppe von Show-Marktschreiern in Deutschland bezeichnen. Zusammen mit Blumen-Angie, Käthe-Kabeljau oder Nudel-Kiri fuhr Pfaff quer durchs Land. Er war der bekannteste der Gilde, im Fernsehen trat er bei Stefan Raab oder in der Show „Die 2“ mit Günther Jauch und Thomas Gottschalk auf. Beide sollen Ehrenmitglieder der Gilde sein. RTL ließ ihn gegen einen Brüllaffen anschreien, Wurst-Achim gewann, er war 106 Dezibel laut. Bei Galileo war er sogar noch lauter: 110,2 Dezibel, die Lautstärke einer Kettensäge.

Pfaff hatte italienische und französische Salami dabei, luftgetrocknete Salami, Salami mit und Salami ohne Knoblauch, Pfeffersalami oder Mettwurst und sogar vegetarische Sorten. An einem guten Wochenende verkaufte er 1,5 Tonnen Wurst, erzählte er einmal der „Süddeutschen Zeitung“ in einem Interview. Als 1989 die Mauer fiel, fuhr Pfaff nach Leipzig, an einem Wochenende gingen 15 Tonnen der Fleischwaren über die Theke. Die Leute rissen ihm die Salami förmlich aus den Händen.

Gelernt hat Pfaff sein Handwerk früh. Schon als Schüler half er auf dem Wochenmarkt in Hannover aus. Später machte er eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer, landete dann aber 1985 auf dem Hamburger Fischmarkt. Dort zeigt ihm Bananen-Matthes, wie das Marktschreien funktioniert, zum ersten Mal stand er plötzlich selbst am Mikrofon. Vor allem lustig musste man sein, sonst blieb kein Kunde stehen. Wer sich nicht bemerkbar macht, der verkauft auch nichts. Das konnte Pfaff. Einer seiner liebsten Sprüche: „Wenn Achim seine Tüte packt, kriegt Aldi einen Herzinfarkt.“ Für 20 Euro stopfte Pfaff zweieinhalb Kilo Wurst in die Tüten, viele Metzger konnten da nicht mithalten.

Anfangs hatten sich seine Stimmbänder vor lauter Brüllen noch regelmäßig entzündet, es dauerte bis Wurst-Achim die richtige Technik entwickelt hatte. Dann schrie er über das Zwerchfell und alles war gut. Jedenfalls bis die Corona-Pandemie kam – und die Wochenmärkte schließen mussten. Pfaff wollte damals wieder zurück ins Logistikgeschäft, Lkw fahren. Aber er fand keinen Job. Also meldete er sich bei Amazon im Lager und lief sich jeden Tag die Blasen in die Füße, wie er es mal formulierte.

Nach der Pandemie kehrte Wurst-Achim zurück auf die Märkte. Ans Aufhören hat er da aber noch gar nicht gedacht. Im vergangenen Jahr sagte er, das Marktschreier-Leben wolle er noch lange nicht aufgeben. Es gehe ja darum, dass es Spaß macht. Und das tat es.

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