Duisburg "Wunschkinder" als äußerst bittere Gesellschaftsanalyse

Duisburg · Das Schauspielhaus Bochum gastierte jetzt in Duisburg.

 Szene aus dem Stück "Wunschkinder".

Szene aus dem Stück "Wunschkinder".

Foto: schauspielhaus bochum

Seit zwei Jahrzehnten gehört Lutz Hübner zu den meistgespielten Theaterautoren Deutschlands, zunächst ausschließlich in der Sparte Kinder- und Jugendtheater, doch seit einiger Zeit zunehmend zusammen mit Ko-Autorin Sarah Nemitz auch im Abendspielbetrieb der deutschsprachigen Theater. Nach dem Erfolgsstück "Frau Müller muss weg" in 2015, das in der Verfilmung von Sönke Wortmann auch die deutschen Kinos eroberte, brachte das Schauspielhaus Bochum Mitte vergangenen Jahres deren Stück "Wunschkinder" als uraufgeführtes Auftragswerk auf die Bühne. Am Mittwoch und Donnerstag gastierte die Inszenierung mit großem Zuspruch des Publikums im Duisburger Theater.

Wunschkinder, das sagt der Duden, sind Kinder, die sich die Eltern gewünscht haben. Für das Autorenteam Hübner/Nemitz ist der Titel des Theaterstücks aber eher "ironisch gemeint", wie sie in einem Interview erzählen: "Zum einen gibt es in dem Stück ein Kind, das alles andere als gewünscht ist, zum anderen erzählt es, was sich Eltern von ihren Kindern wünschen, was sie von ihnen erwarten." So gibt es auf der einen Seite die Kleinfamilie, bestehend aus Gerd, dem Vater (gespielt von Matthias Redlhammer), Bettine, der Mutter (Katharina Linder) und dem gemeinsamen Sohn Marc (Damir Avdic), auf der anderen Seite die Alleinerziehende Heidrun (Maja Beckmann) mit ihrer Tochter Selma (Sarah Grunert). Dazwischen, die Kontrahenten zumeist beruhigend und vermittelnd, die Schwester von Bettine, Kathrin (Annelore Sarbach).

Vordergründig geht es in der Geschichte um den rumhängenden Marc, der seinen Eltern nur auf der (Geld)Tasche liegt. Dieser lernt eines Tages die lebensfleißige Selma kennen und sie verlieben sich ineinander. Doch schon die erste Überraschung, die sie verkünden - sie wollen sich eine eigene Wohnung nehmen -, schafft, gelinde gesagt, Irritation bei den Erziehungsberechtigten. Doch mit der Nachricht, dass Selma schwanger ist, geraten alle fünf Leben aus der Bahn.

Die Bühnenbildnerin Lydia Merkel hat für deren gemeinsame Lebensplattform eine schiefe Ebene gebaut, während Regisseur Anselm Weber die dazugehörigen Lebensmodelle als allgegenwärtig zum Ausdruck bringt, indem er die Schauspieler die gesamte Spieldauer über Präsenz zeigen lässt, um somit ihre Beziehungen zu- und untereinander gewichtiger verdeutlichen zu können. So lassen sich Geschwisterzwist und Ehekrach, Generations- und Geschlechterkämpfe sowie Vater-Sohn- und Mutter-Tochter-Beziehungen lupenrein inszenieren und überhöhen.

Gespielt wird das Drama nur manchmal als Komödie, weil sich nämlich dahinter eine äußerst bittere Gesellschaftsanalyse verbirgt, die der Frage nachgeht, in welchem gesellschaftlichen Klima hierzulande Kinder willkommen sind und aufwachsen. So fallen im Spieltext Sätze wie "Mein Kind ist kein Kind der Liebe, sondern ein Kind der Angst" (Heidrun) und "Nichts in mir hatte das Gefühl Mutter zu sein" (Katrin) oder auch der Ausspruch von Selma, die am Schluss des Stückes vom Verlust ihres Fötus' berichtet: "Eine Seele, die nicht willkommen war."

(O.R.)
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