Duisburg Wunsch nach größerer Vielfalt

Duisburg · Bischof Franz-Josef Overbeck und Pater Elmar Salmann diskutierten in der katholischen Akademie "Die Wolfsburg" über den Relevanzverlust der Eucharistie. Die Riten sind gleich, die Auslegung sind jedoch kulturell unterschiedlich.

 Bischof Overbeck warnte in der Diskussion vor einfachen Antworten. Rechts neben ihm Pater Elmar Salmann.

Bischof Overbeck warnte in der Diskussion vor einfachen Antworten. Rechts neben ihm Pater Elmar Salmann.

Foto: klingeberg

"Quelle und Höhepunkt" des Glaubens soll die Eucharistie laut dem Zweiten Vatikanischen Konzil sein. Die Realität sieht jedoch anders aus. Für viele Gläubige - Priester wie Laien - hat sie im Leben nur noch geringe Relevanz. Welche Ursachen und Folgen diese Entwicklung hatte, diskutierten in der Katholischen Akademie "Die Wolfsburg" Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck und der Benediktiner Pater Prof. Dr. Elmar Salmann mit Akademiedozent Dr. Jens Oboth.

Von einer Entfremdung von großen Teilen des eigenen Personals sprach Oboth in seiner Einleitung und zitierte damit die Seelsorgestudie, für die in den Jahren 2014 bis 2016 hauptamtliche Seelsorgerinnen und Seelsorger in 22 deutschen Diözesen befragt wurden. Bischof Overbeck machte für diese Entwicklung vor allem die Spannung zwischen der professionellen und der existenziellen Dimension der Eucharistie verantwortlich. Priester müssten gleichzeitig zwei Dinge leisten, nämlich als Vorsteher der Eucharistie einen Dienst für andere tun und sich gleichzeitig bewusst machen, was das Sakrament für sie ganz persönlich bedeutet. Diese Spannung zwischen Professionalität und existenzieller Nachvollziehbarkeit bereite ihm Sorgen, erklärte Overbeck weiter. Die Doppelrolle des Priesters erfordere eine Gratwanderung, weil in unterschiedlichen Situationen der eine oder andere Teil besser oder schlechter gelinge. Als weiteren Grund für die Entfremdung von der Eucharistie nannte Salmann die fehlende Beteiligung der Gläubigen: "Wir zelebrieren in leere Räume und in die Reaktionslosigkeit. Auch das kann Priester überfordern". Ein fehlendes Verständnis sieht er vor allem in einer Überlappung von Traditionen begründet. Während früher das Sakrale im Mittelpunkt stand, liege der Fokus heute auf dem Humanen. Archaische sakrale Themen wie Realpräsenz und das Opfer Christi seien von einer früheren Art der Religion übrig geblieben und sollten heute in eine geschwisterliche Mahlfeier eingehen, ließen sich aber nicht einfach auf die existenzielle Ebene übertragen. Dadurch, so Salmann, entstünden Verwerfungen.

Overbeck ermutigte dazu, die heutige Sicht auf die Eucharistie, die anders als früher nicht eindeutig ist, sondern viele Perspektiven beinhaltet, zu akzeptieren. Gerade Zelebranten müssten eine gewisse Flexibilität mitbringen, um sich auf unterschiedliche Situationen und Deutungen einzulassen. Gerade mit Blick auf die Weltkirche würde deutlich, so Overbeck, dass die Riten zwar immer gleich, ihre Auslegung und die Deutung für die Gläubigen in unterschiedlichen Kulturen jedoch höchst unterschiedlich sei. Und auch in der Ökumene zeige sich diese Vielschichtigkeit. Auf die Frage nach der Präsenz Jesu in der Welt gebe es eben nicht nur eine eindeutige, sondern viele verschiedene Antworten.

Die Vielschichtigkeit in der Bedeutung der Eucharistie müsse viel stärker thematisiert werden, forderte Salmann. Helfen könne dabei eine Differenzierung der Formen. Neben der Hochform könne es etwa meditativere oder kommunikativere Formen der Eucharistie geben. Gleichzeitig bedauerte er den Verlust früherer Traditionen: Früher habe es eine große Vielfalt von Andachtsformen gegeben. Heute sei die Eucharistie fast die einzige Liturgie, die uns bleibe.

Gemeinsam suchten die Diskussionsteilnehmer auch nach "Stellschrauben", die neue Zugänge zum Sakrament der Eucharistie ermöglichen könnten. Bei der Frage nach einer veränderten Sprache warnte Overbeck vor tiefgreifenden Veränderungen an den liturgischen Texten. Es sei ein Trugschluss zu glauben, dass man das Geheimnis besser begreift, wenn man sprachlich mehr versteht. Gerade die Sprache und die Zeichen würden die Kirche als weltweite Einheit verbinden. Und: Das Hören vertrauter Texte biete auch die Chance einer inneren Öffnung im Gebet der Gläubigen. Auch Salmann unterstützte das Argument: Die Gleichmäßigkeit der Messe könne etwas Bannendes haben.

Offen zeigten sich Overbeck und Salmann für die Entdeckung neuer Räume. Gerade angesichts des Pfarreientwicklungsprozesses sei im Bistum Essen die Frage nach der Erhaltung von Kirchen akut, so Overbeck. Man müsse sich dabei aber fragen, ob diese Räume auch nachfolgenden Generationen noch etwas sagten. Er gehe davon aus, dass auf Dauer eine Verständigung auf neue Raumformen notwendig sein wird. Ebenso wichtig sei es, neue Wege für eine ansprechende Kirchenmusik zu beschreiten.

Mit Verweis auf die unterschiedlichen Baustile von Kirchengebäuden ergänzte Salmann, dass die Kirche immer auch ein "Abbruchunternehmen" gewesen sei. So müsse man sich auch von Bekanntem verabschieden und Neues wagen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort