Duisburg Wladimir Kaminer: Pointen aus dem Leben

Duisburg · Wladimir Kaminer ist nicht nur ein Autor von humoristischen Geschichten, er ist ein Entertainer durch und durch. Er setzt sich auch nicht an einen Tisch, um vorzulesen, sondern steht auf der Bühne, einen Stapel Manuskripte mit noch unveröffentlichten Geschichten in der Hand.

Wladimir Kaminer spielt mit seinem Publikum, hat dabei den Schalk im Nacken, was man an seinem Schmunzeln und an seinen leuchtenden Augen sieht. Die Leute strömen zu seinen Lesungen. So auch jetzt in die Zentralbibliothek, die restlos ausverkauft war.

Kaminer ist ein Meister des leichten Tonfalls. Dabei plaudert er natürlich und unverkrampft; auch nach einem anstrengenden Arbeitstag ist es eine Freude, ihm zuzuhören. Die Geschichten, mit denen Wladimir Kaminer bekannt geworden ist, sind dem Leben abgelauscht. Ob sie alle wirklich wahr sind, wissen wir nicht. "Aber sie könnten wahr sein, und das ist das Entscheidende!", sagte Bibliotheksdirektor Jan-Pieter Barbian in seiner klugen und durchaus witzigen Einführung.

Kaminer plaudert zum einen gekonnt aus dem Stegreif, zum anderen reagiert er spontan auf Bemerkungen aus dem Publikum, und zum Dritten liest er wunderschön seine eigenen Geschichten vor, wobei sein leichter russischer Akzent einen eigenen Charme entwickelt.

Kaminer, 1967 in Moskau geboren und seit 1990 in Deutschland lebend, schreibt bekanntlich nicht in seiner Muttersprache, sondern in Deutsch, kokettiert gleichwohl gelegentlich damit, dass er sich in einer fremden Sprache bewegt. Herrlich etwa seine Geschichte vom Kirchentag in Dresden, als er Pfadfinder mit Pfandfindern verwechselt, die leere Flaschen einsammeln und verscherbeln. Gekonnt, wie Kaminer die Pointen setzt.

Im Übrigen will Kaminer nicht immer über die gleichen Themen schreiben und die gleichen Fragen beantworten. Diese Fragen seien: Wie haben Sie Deutsch gelernt? In welcher Sprache träumen Sie? Und wann wollen Sie in Ihre Heimat zurückkehren? Bei seiner Duisburger Lesung wurde Kaminer das nicht gefragt.

Vielmehr genoss das Publikum einen der unterhaltsamsten Literaturabende, die jemals in der Zentralbibliothek veranstaltet wurden, ein- und ausgeleitet mit Musik von Kaminers CD "Russendisko". Und so viele Bücher eines Autors wurden vermutlich noch niemals zuvor in der Zentralbibliothek verkauft und signiert. Nicht am Schluss übrigens, sondern in der Lesepause.

Wladimir Kaminer bedankte sich beim applaudierenden Publikum mit überraschend tiefen Verbeugungen, die dankbar, freundlich, ein wenig ironisch und sportlich zugleich wirkten.

(RP)
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