Wiederaufbau der August-Thyssen-Hütte Warum Duisburg der „Frau im grünen Kleid“ viel zu verdanken hat

Serie | Duisburg · Eine engagierte US-Amerikanerin setzte sich für den Wiederaufbau der August-Thyssen-Hütte ein. Warum Duisburg der Frau auf dem Ölgemälde viel zu verdanken hat.

Das Ölgemälde von Oswald Petersen zeigt Joan S. Crane im Jahre 1950.

Das Ölgemälde von Oswald Petersen zeigt Joan S. Crane im Jahre 1950.

Foto: Thyssenkrupp Corporate Archives

Ein Ölgemälde von Oswald Petersen erinnert an Joan S. Crane, die sich für den Erhalt der August-Thyssen-Hütte engagiert eingesetzt hatte. Hans-Günther Sohl, der spätere Vorstandsvorsitzende der August-Thyssen-Hütte (ATH), hatte das Gemälde in Auftrag gegeben. Das Werk wurde damals an exponierter Stelle der alten Thyssen-Hauptverwaltung im Gewerkensaal aufgehängt. Nach Besichtigung des Gemäldes schrieb Mrs. Crane: „Obwohl ich fürchte, dass der vornehme Herr August Thyssen bei der Vorstellung, eine Wand mit einem Gemälde „Die Frau im grünen Kleid“ zu teilen, ebenso verunsichert gewesen wäre, wie gelbe Blumen in seinen Stahlwerken wuchern zu sehen, weiß ich die Freundlichkeit und die Ehre, die Sie mir erwiesen haben, von ganzem Herzen zu schätzen.“ Das Ölgemälde befindet sich heute im Thyssenkrupp Corporate Archives in Duisburg.

Was hat es mit dem Bild aber auch sich? Die Recherche führt uns in die Nachkriegszeit der August-Thyssen-Hütte in Duisburg-Hamborn. Nach der Bombardierung 1944/45 lag die Produktion der ATH still. Das Damokles-Schwert hieß „Demontage“. Am 16. Oktober 1947 wurde die Demontage-Liste der Alliierten veröffentlicht. Neben der August-Thyssen-Hütte AG standen 25 Duisburger Industriebetriebe auf der Liste. Drohende Betriebsstilllegungen und der Verlust der Arbeitsplätze stießen bei der Bevölkerung von Duisburg auf Entsetzen. Bilder der Proteste gegen die Demontage der Thyssen-Hütte und das Sterben des Stadtteils Hamborn spiegeln die Stimmung wider. Es entstand ein Bündnis aus Belegschaft, Betriebsrat, Gewerkschaften, Landesregierung, Oberbürgermeister, Parteien, Kirchen und Bevölkerung, das gegen den Abbau Widerstand leistete. Die Haltung der Alliierten war kontrovers. Die USA lieferten damals Getreide nach Deutschland, um die schwierige Ernährungssituation zu verbessern; gleichzeitig wurden Werke der Düngemittelproduktion demontiert und damit die Eigenproduktion Deutschlands unmöglich gemacht.

Joan S. Crane und Konrad Adenauer (2. von links) während der Demontagestoppfeier der ATH am 20. Dezember 1949.

Joan S. Crane und Konrad Adenauer (2. von links) während der Demontagestoppfeier der ATH am 20. Dezember 1949.

Foto: Thyssenkrupp Corporate Archives

In zunehmendem Maße erkannten einflussreiche Amerikaner, darunter der US-Senator Mallon, dass die Konsolidierung und der Wiederaufbau der deutschen Industrieanlagen auch den Interessen der USA entsprach, um nicht für die Versorgung der Bevölkerung in Deutschland aufkommen zu müssen. Mallons persönliche Vertreterin war eine gewisse Mrs. Joan S. Crane, die sich engagiert insbesondere für den Wiederaufbau der August-Thyssen-Hütte einsetzte.

Die deutschstämmige Wirtschaftswissenschaftlerin reiste nach Deutschland um sich einen realistischen Eindruck von der desolaten Situation der August-Thyssen-Hütte zu verschaffen. Während ihres Aufenthalts im August 1948 knüpfte sie auch Kontakte zum späteren ATH-Vorstand Hans-Günther Sohl, zu Konrad Adenauer und anderen namhaften Akteuren aus Wirtschaft und Politik. Den Zustand der August-Thyssen-Hütte empfand sie nach eine Vor-Ort-Begehung schockierend. In ihren Erinnerungen beschreibt sie ein Niemandsland aus Rost, zerstörten Bauten, Schutt, Unkraut, verlassenen Waggons und deprimierten Demontage-Arbeitern.

1949 organisierte sie mit politischen Freunden verstärkt den Kampf gegen die Demontage im Ruhrgebiet. Mit Erfolg. Am 22. November 1949 wurde unter Konrad Adenauer mit den Hohen Kommissaren der drei Westmächte das Petersberger Abkommen abgeschlossen, das unter anderem das Ende der Demontagen vorsah. Einen Monat später fand eine Feier statt, auf der das Ende der Demontage der August-Thyssen-Hütte begangen wurde. In ihren Erinnerungen beschreibt Mrs. Joan S. Crane den Wiederaufbau der August-Thyssen-Hütte innerhalb von weniger als sieben Jahren als unglaubliche Leistung – ohne ihr eigenes Mitwirken beim Demontagestopp hervorzuheben. Eine starke Frau, der nicht nur Hamborn viel zu verdanken hat.

Zum Weiterlesen: Manfred Rasch: Joan S. Crane und der Wiederaufbau der August Thyssen-Hütte, in: Duisburger Jahrbuch 2002.

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