Duisburg Virtuoser Klavierabend mit Tablet-PC

Duisburg · Im jüngsten, vierten Kammerkonzert im Theater am Marientor (TaM) überzeugte die prominente polnische Pianistin Ewa Kupiec mit einer außergewöhnlichen und subtilen Programm-Reise, die fast eine Premiere war.

 Ewa Kupiec überzeugte mit virtuosen Interpretationen voller Energie.

Ewa Kupiec überzeugte mit virtuosen Interpretationen voller Energie.

Foto: laion

Es war nur ein kleines Rechteck, aber es zog die Blicke auf sich. Im jüngsten, vierten Kammerkonzert im Theater am Marientor (TaM) stand auf dem Klavier kein Buch mit auf Papier gedruckten Noten, sondern ein Tablet-PC, also ein kleiner digitaler Bildschirm. Dieser Trend kam somit nun erstmals in Duisburg an — auch einige große Orchester wie die Bamberger Symphoniker haben schon damit experimentiert.

Das hypermoderne Gerät kontrastierte kurios zu dem eher nostalgischen Programm, das klug den Einfluss der französischen Musik nach 1900 auf Osteuropa beleuchtete und das sehr sensibel subtilsten Klangschattierungen nachspürte. Die prominente polnische Pianistin Ewa Kupiec, Jahrgang 1963, hatte diese Programmfolge erst zwei Tage zuvor überhaupt zum ersten mal öffentlich vorgetragen.

Im Mittelpunkt stand jeweils eines der wichtigsten Werke der beiden wohl bedeutendsten französischen Komponisten. Das eine waren die drei "Estampes" ("Stiche", 1903) von Claude Debussy. In "Pagodes" ("Pagoden") laufen die Klänge, Motive und Themen ähnlich wie in der von Debussy bewunderten javanischen Gamelan-Musik je nach Lage im Tonraum in unterschiedlichen Notenwerten ab: Bässe klingen lange und schreiten nur allmählich fort, während die Bewegung nach der Höhe hin zunimmt. "La soirée dans Grenade" ("Abend in Granada") ist ein subtiles Stück im Habanerarhythmus, "Jardins sous la pluie" ("Gärten im Regen") eine fröhliche Toccata über zwei französische Volkslieder ("Nous n'irons plus aux bois" und "Dodo, l'enfant do").

Das andere war die Sonatine (1903-05) von Maurice Ravel. Ewa Kupiec spielte beide Werke fließend virtuos, vollkommen durchsichtig und mit geradezu greifbarer Energie. Der Bechstein-Flügel wurde so nie zum berüchtigten "Blechstein" - allerdings fehlte es den Steigerungen und Höhepunkten etwas an der gewünschten Kraft.

Als Rahmen war den beiden Meisterwerken je eine davon beeinflusste Komposition aus dem Osten Europa beigesellt. Das eine waren fünf der sieben Sätze der Suite Nr. 3 "Pièces impromptues" op. 18 (1913-16) von dem Rumänen George Enescu (1881-1955), der am Pariser Conservatoire bei Jules Massenet und Gabriel Fauré studierte, wobei letzterer ja auch Ravels Lehrer war. Leider schienen die Stücke des sonst so geschätzten Meisters Enescu im Theater am Marientor kaum Substanz zu bieten. Dagegen wirkte die frühe Sonate (1934) des Polen Witold Lutoslawski (1913-1994) als eindrucksvolle Talentprobe. Debussy und Ravel, namentlich eben die Sonatine, sind darin als Vorbilder ebenso zu bemerken wie der große Landsmann Karol Szymanowski. Allerdings distanzierte sich Lutoslawski später von seiner frühen Komposition. Obwohl das Manuskript den Zweiten Weltkrieg überstand, wollte der Komponist nicht, dass die Sonate veröffentlicht wird. So wurde sie erst 2004 gedruckt, als ihr Schöpfer sich infolge inzwischen erfolgten Ablebens nicht mehr dagegen wehren konnte.

"Ich freue mich, dass Sie diese Klang-Reise mit mir unternommen haben", wandte sich die Pianistin hernach an das zufriedene Publikum. Danach könne man eigentlich keine Zugabe mehr spielen, deshalb schließe sie den Kreis, indem sie noch einmal die anfängliche "Melodie" von Enescu spiele.

(hod)
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