Prozess um Polizeigewalt und Widerstand Video gibt den Ausschlag: Freispruch

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, gefährliche Körperverletzung im Amt – der Prozess um einen Vorfall im Juni 2017 in Bruckhausen vor dem Amtsgericht Ruhrort endete am Mittwoch mit einem Freispruch.

 Ein Screenshot eines Videos von dem Vorfall auf der Reinerstraße, das auch auf Facebook kursierte.

Ein Screenshot eines Videos von dem Vorfall auf der Reinerstraße, das auch auf Facebook kursierte.

Foto: Facebook-Video

Was sich am 25. Juni 2017 an der Reinerstraße in Bruckhausen abspielte, hatte für Schlagzeilen gesorgt: Polizeibeamte hatten vor einem Haus in dem verkehrsberuhigten Bereich einen Wagen entdeckt, der im Parkverbot stand. Es war das Auto von Mehmet K., damals 49 Jahre alt. Als die Polizei ihn aufforderte, seinen Wagen wegzufahren, ahnte noch niemand, wie schnell die Situation eskalieren würde. Am Ende ergab ein Wort das andere, es kam zu Handgreiflichkeiten, in Windeseile hatten sich rund 200 Menschen angesammelt, die den Polizeieinsatz lautstark kritisierten und das Geschehen in zahlreichen Handyvideos aufnahmen, die später im Netz kursierten.

Schließlich war die Polizei mit zahlreichen Streifenwagen und rund 50 Beamten zur Stelle, die zwei Polizeiketten bildeten. Mehmet K. wurde von einem Ordnungshüter vor dem Haus in den Schwitzkasten genommen, es kam zum Einsatz von Pfefferspray. Im Hausflur wurde der Bruckhausener dann von den Polizisten zu Boden gerungen, ein Beamter soll dann auf ihn eingetreten haben. Er wurde anschließend mit dem Rettungswagen ins Fahrner Krankenhaus gebracht.

Juristisch hätte das Ereignis bereits erledigt sein können: Der Polizist, der zunächst über ein Jahr vom Dienst suspendiert worden war, bekam einen Strafbefehl mit einer achtmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung mit einer Geldauflage in vierstelliger Höhe wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt. Er akzeptierte die Strafe und ist mittlerweile wieder im Dienst, wenn auch in einer anderen Dienststelle. „Dass das für ihn ein Karriereknick bedeutet, ist natürlich klar“, sagte Polizeisprecher Daniel Dabrwoski am Mittwoch.

Mehmet K. erhielt ebenfalls einen Strafbefehl – mit einer Geldstrafe von 5400 Euro wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Der inzwischen 51-Jährige wollte diese Entscheidung aber nicht akzeptieren – und so wurde der Fall am Mittwoch vor dem Amtsgericht Ruhrort noch einmal verhandelt. Vertreten wurde er vom renommierten Bielefelder Strafverteidiger Dr. Detlev Binder.

Der erklärte, sein Mandant habe im Parkverbot gestanden, weil er nur kurz einen schweren Kompressor aus dem Auto ausladen wollte. Ein Knöllchen hätte er auch akzeptiert. „Er hat über 30 Jahre bei Krupp gearbeitet, ist sozial integriert und hat nie Probleme mit der Polizei oder Behörden gehabt“, so Binder. „Ich war sauer und habe sicher den falschen Ton getroffen. ich bedauere das auch“, so der Angeklagte. Der Polizist habe ihn „aus dem Nichts“ in den Würgegriff genommen. In der Anklageschrift hatte es geheißen, der Beamte habe ihn gewarnt und Gewalt angedroht, wenn er nicht zur Personalienfeststellung stehen bliebe. Im Gerichtssaal sahen sich daraufhin die Beteiligten dann zwei Videos des Tatgeschehens an. Die Aufnahmen unterstützen wohl eher die Aussagen des Angeklagten. Die Vorsitzende Richterin schlug nach Ansicht der Videos eine Einstellung des Verfahrens vor.

Daraufhin gab es eine Pause, in der der Staatsanwalt sich telefonisch Rückendeckung seiner Behörde für das weitere Vorgehen einholte. Schließlich stimmte er einer Einstellung des Verfahrens nicht zu, so dass weiterverhandelt werden musste.

Anschließend wurde der Polizeibeamte als Zeuge vernommen. Er berichtete von der aggressiven Stimmung vor Ort. Der Angeklagte sei der Aufforderung, sein Auto wegzufahren, einfach nicht nachgekommen. „Ich habe mich vollkommen ignoriert gefühlt. Der reagierte überhaupt nicht“, sagte er. Weil er die Befürchtung hatte, der Falschparker würde flüchten, habe er ihn festhalten wollen. Er sprach von einer „völligen Ignoranz polizeilicher Maßnahmen“. Es hätte ja sein können, dass der Angeklagte mit Haftbefehl gesucht würde. Das werde im Zweifelsfall bei Personalienfeststellung immer überprüft. Auf Nachfragen des Verteidigers konnte er sich zumindest an einige Details nicht mehr erinnern.

Am Ende wurde der 51-Jährige vom Vorwurf des Widerstands freigesprochen. Der Staatsanwalt hatte zuvor noch eine Geldstrafe gefordert.

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