Duisburg Vertrag ist auch für Duisburg wegweisend

Duisburg · Was bedeutet die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro im Koalitionsvertrag für Duisburg? Die Meinungen gehen auseinander: Die einen sehen ihn als große Chance, die anderen als Gefahr für viele Arbeitsplätze.

 Geld für die Infrastruktur spielt im Koalitionsvertrag eine wichtige Rolle. Brücken wie die der A 40 über den Rhein müssen berücksichtigt werden, so die IHK.

Geld für die Infrastruktur spielt im Koalitionsvertrag eine wichtige Rolle. Brücken wie die der A 40 über den Rhein müssen berücksichtigt werden, so die IHK.

Foto: Hohl, Ralf (hohl)

Nach Erkenntnissen der Gewerkschaften arbeiten auch in Duisburg Beschäftigte für einen tariflich vereinbarten Stundenlohn von weniger als 8,50 Euro brutto. Betroffen sind vor allem Friseurinnen, Servicekräfte in Gaststätten und Hotels, Alten- und Krankenpflegehelfer, Bus- und Lastwagenfahrer. Das soll sich nach dem Willen der Großkoalitionäre bekanntlich ändern: Zum 1. Januar 2015 gelten 8,50 Euro brutto als bundesweiter Mindestlohn. Zwei Jahre lang sind dann noch Ausnahmen möglich, ab 2017 gilt er dann ausnahmslos.

Im Einzelhandel liegt der Tariflohn in Duisburg in der Regel ohnehin oberhalb dieser Grenze — von Aushilfskräften, etwa im Weihnachtsgeschäft, einmal abgesehen. Was also ändert sich konkret in Duisburg, wenn der Mindestlohn umgesetzt wird? Dazu gibt es zwei grundsätzlich verschiedene Auffassungen. Ulrich Rieger vom DGB Duisburg-Niederrhein, sieht diesen Teil des Koalitionsvertrages als "Schritt in die richtige Richtung". In Duisburg sei das Problem aber vergleichsweise gering: "Wir haben hier eine sehr gute und sehr hohe Tarifbindung", sagte er gestern. Auch in punkto soziale Sicherheit, Leiharbeit, Werkverträgen und gleicher Bezahlung von Mann und Frau sehe er Fortschritte.

"Wir hätten uns viel schnellere und umfassendere Lösungen gewünscht. Aber eine große Koalition ist ohnehin immer nur eine Ehe auf Zeit." Eine "Schwächung der Tarifpartnerschaft" befürchten dagegen Vertreter der in Buchholz ansässigen Unternehmerverbandsgruppe (UVG).

"Die Ziele, die Union und SPD verfolgen, sind zweifellos richtig. Der eingeschlagene Regulierungsweg ist jedoch grundfalsch. Im Gegenteil, diese Maßnahmen werden zu einer Verschlechterung für Arbeitnehmer und Arbeitslose führen", heißt es in einer Erklärung von UVG-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Schmitz und dem Sprecher der regionalen Wirtschaft, Heinz Lison. Im Übrigen sind sie der Meinung, Arbeitgeber, Gewerkschaften und Tarifverträge würden geschwächt und noch mehr Unternehmen würden aus der Tarifbindung fliehen.

Dr. Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer, sieht beim Mindestlohn vor allem eine Gefahr: "Das könnte für Jugendliche die Ausbildung unattraktiver machen. Bei 8,50 Euro pro Stunde sind das rund 1300 Euro im Monat. Im Vergleich sind die Ausbildungsvergütungen deutlich darunter." Auch bestehe die Gefahr, dass die Schwarzarbeit zunimmt.

Das Institut für Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen sieht durchaus Chancen in einem gesetzlich festgelegten Mindestlohn: "Neue Studien kommen überwiegend zu dem Ergebnis, dass Mindestlöhne der Beschäftigung nicht schaden." Prof. Gerhard Bosch und Dr. Claudia Weinkopf widersprechen damit in ihrem jüngsten IAQ-Report ausdrücklich dem aktuellen Bericht der "Wirtschaftsweisen". Wie Betriebe die Lohnsteigerungen stemmen können, sagen die Wissenschaftler auch: "Unternehmen können das Spektrum ihrer Produkte und Dienstleistungen verändern oder erweitern, neue Kundengruppen erschließen oder ihre Preise erhöhen. Eine Einschränkung beim Mindestlohn machen die Forscher allerdings: "Nicht jeder Arbeitsplatz und jedes Unternehmen werden erhalten bleiben." Aber das sei auch "ausdrücklich so gewollt."

(RP)
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