Duisburg Verkaufen im Tiefkühlschrank

Duisburg · Das Obst kommt zum Aufwärmen ins Kühlhaus, Gemüse wird ans Feuerchen gerückt, und Verkäufer müssen ihre Zelte und Stände vor dem Abbauen erst abtauen. Den Markthändlern hilft bei diesem Wetter wie in einer großen Tiefkühltruhe nur eines: mindestens ebenso eiskalte Gelassenheit.

Der Hochheider Markt ist frostbedingt abgemagert wie ein Eisbär nach dem Winterschlaf. Bei klimatischen Bedingungen wie am Nordpol — das mag übertrieben sein, aber nach ein, zwei Stunden geduldigen Tiefgekühltwerdens kommen solche Gedanken schon mal auf — haben sich viele Marktleute erst gar nicht rausgetraut. Viele Kunden auch nicht. Die, die es tun, klauben mit steifen Fingern mühsam ihr Kleingeld zusammen.

Kuschelig kurz vor Gefrierpunkt

Am Stand von Obsthändler Heinz Berendsen sind die Bananen ein bisschen eingepackt, die Äpfel und Weintrauben halten die Kälte ein paar Stunden aus, sagt er: "Mit Obst passiert so schnell nichts." Er selbst pflegt eine innige Beziehung zu seinem kleinen Heizstrahler und freut sich auf später. Dann wird er seine Waren ins Kühlhaus schieben — zum Aufwärmen, allen Ernstes.

Im Gemüse-Zelt von Doris Norbisrath ist es geradezu kuschelig, ein paar Grad über null. Zwei Dieselöfen halten die Menschen warm, aber das ist nur ein Nebeneffekt: Hier geht es ums Grünzeug. Feldsalat und Tomaten vertragen einfach keinen Frost. "Von sechs bis 13 Uhr verbrauchen wir pro Ofen 25 Liter Diesel. Zu verdienen ist da nicht mehr viel", klärt Theo Norbisrath auf. Aber treue Kunden wolle man nicht durch Abwesenheit enttäuschen: "Die zwei Monate, da müssen wir jetzt durch." Außen an der Zeltplane haben sich Miniatur-Gletscher gebildet: Rinnsale von Tauwasser, die auf ihrem Weg durch die Wölbungen und Beulen auf dem Stoff zu Eis erstarrt sind.

Gabi Endres lebt dagegen im Luxus. Sie verkauft Fleisch und Wurst im Wagen der Metzgerei Scholten. Morgens wirft sie als erstes einen kleinen Gasofen an: "Wenn man sich davor stellt, ist es richtig nett", demonstriert sie. Das Aufbauen in aller Frühe allerdings, "das ist schon ziemlich knackig". Dann wärmt sie sich auf beim Wareneinräumen und mit heißem Kaffee.

Bei der Marktfrauen-Ehre gepackt

Ganz anders Goerk Hellinrath, die warme Pullis für die kalten Tage verkauft. Sie kann sich allenfalls an der Bewunderung wärmen, die ihr ihre Kunden zollen: "Also, ich könnte das nicht, hier den ganzen Tag stehen. . ." Hellinraths Tipp: "Sich warme Gedanken machen, warm anziehen und gucken, dass man es bis Mittag schafft."

Claudia Mosebach bringt eiskalte Babypuppen an die Käufer und dem kühlen Wetter ebenso kühle Gelassenheit entgegen: "Wer das ganze Jahr über draußen ist, ist Kälte gewöhnt", sagt sie. Gut, es ist nicht die spaßigste Beschäftigung, langsam mit den Schuhsolen am Straßenbelag festzufrieren. Aber für sie ist das eine Frage der Marktfrauen-Ehre: "Man will ja kein Schönwetterarbeiter sein."

(RP)
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