Duisburg Verführung zur "Entführung"

Duisburg · Die Deutsche Oper am Rhein nahm in Duisburg die Mozart-Oper "Die Entführung aus dem Serail" wieder auf, zunächst mit dem neuen Format "Der Opernbaukasten - Oper entdecken mit Malte Arkona".

 Szene aus der "Entführung aus dem Serail" mit Sibylla Duffe (Blondchen) und Thorsten Grümbel (Osmin).

Szene aus der "Entführung aus dem Serail" mit Sibylla Duffe (Blondchen) und Thorsten Grümbel (Osmin).

Foto: Hans Jörg Michel (DOR)

Als Wolfgang Amadeus Mozart 1782 sein Singspiel "Die Entführung aus dem Serail" schrieb, bediente er das damals beliebte Genre der "Türkenoper". Es profitierte von den zahlreichen Romanen und Reiseberichten, die im 18. Jahrhundert über den geheimnisvollen und weitgehend unbekannten Orient veröffentlicht wurden. Denn nichts entzündet die Fantasie so wie das Fremde, in dem sich die eigenen Ängste und Wünsche spiegeln. Die Entführung von zwei Europäerinnen aus dem Harem des türkischen Bassa Selim war für Mozart mehr als ein exotisches Abenteuer, das lediglich Spannung und einen gehörigen Nervenkitzel verhieß. Der erst 26-jährige Komponist lotete die Geschichte nach existenziellen Erfahrungen wie Liebe, Eiersucht, Verzweiflung und törichter Besitzgier aus. Und er appellierte an Toleranz und Menschlichkeit, wenn am Ende der Bassa auf Rache verzichtet und seine Favoritin Konstanze mit ihrem Verlobten Belmonte samt Dienerschaft unbehelligt in die Heimat zurückkehren lässt.

Jetzt nahm die Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg Mozarts "Entführung" in ihrem Duisburger Haus wieder auf. Genauer gesagt zweimal, am Vormittag mit dem neuen Format für Menschen ab sechs Jahren "Der Opernbaukasten - Oper entdecken mit Malte Arkona" und am Abend als die eigentliche Wiederaufnahme. Anna-Mareike Vohn und Philipp Westerbarkel hatten den "Opernbaukasten" konzipiert und die Rahmenhandlung entwickelt: Mozarts "Entführung" steht auf dem Spielplan und eigentlich soll sich gleich der Vorhang heben, doch es klemmt an allen Ecken und Enden. Spielleiter Malte schafft es aber mit Hilfe von vier Solisten, den Duisburger Philharmonikern und vielen, die sonst unsichtbar zum Gelingen einer Vorstellung beitragen, das Uhrwerk Oper zum Laufen zu bringen.

Die Rheinoper hebt hier nicht den Zeigefinger, sondern belehrt durch unterhaltsame Aktion. Wunderbar etwa, wenn zu der Arie "Martern aller Arten" auf die Soloinstrumente Oboe, Flöte, Violine und Violoncello per Pappschilder hingewiesen wird. Faszinierend, wenn der junge Moderator innerhalb weniger Minuten mittels Kostüm und Maske in die deutlich ältere Sprechrolle des Bassa Selim schlüpft. Das ist zugleich eine liebevolle Opern-Parodie, zum Beispiel sind die Sänger teils herrlich überdreht, vor allem Eva Bodorová als Konstanze, teils leicht vertrottelt, vor allem Dogus Güney als Osmin. Das Konzept scheint aufzugehen, denn selbst der jüngste Teil der Zielgruppe folgt dem konzentriert. Hernach gab es im Opernfoyer eine Autogramm- und Selfiestunde.

Am Abend kam dann die "richtige" Wiederaufnahme der "Entführung", in der 13 Jahre jungen und jederzeit werkdienlichen Inszenierung von András Fricsay Kali Son (dem Sohn des legendären Dirigenten Ferenc Fricsay), die wohl ganz in Mozarts Sinn die Waage hält zwischen Komik und Tragik. Die gute Sänger-Riege führen zwei kleine, aber starke Frauen an, nämlich Heidi Elisabeth Meier als Konstanze und Sibylla Duffe als Blondchen. Letztere hat die meisten Lacher, mit Sprüchen wie "Türk dich selber" oder "Mut, wir schaffen das". Der Dirigent Stefan Klingele ist ein zuverlässiger Lotse durch das musikalische Geschehen.

Die beiden Produktionen sind in Duisburg in dieser Spielzeit noch je einmal zu erleben: der dreiviertelstündige "Opernbaukasten" am Sonntag, 15. Mai, um 15 Uhr, und die dreistündige "Entführung" am Samstag, 28. Mai, um 19.30 Uhr. Karten gibt es am einfachsten unter Telefon 0203/ 9 40 77 77.

(hod)
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