Duisburg Unglaublich eindringliche Darstellung

Duisburg · Beim vierten "Profile"-Kammerkonzert und bei dem Musikdrama "Iokaste" ging es im Theater wieder einmal um den 1959 geborenen Komponisten Stefan Heucke. Die Akzente lockten dazu erfreulich viele Besucher an.

 Schauspielerin Veronika Maruhn (l.) und Birgit Remmert (Mezzosopran) wurden vom Publikum bejubelt.

Schauspielerin Veronika Maruhn (l.) und Birgit Remmert (Mezzosopran) wurden vom Publikum bejubelt.

Foto: Ruhrfestspiele Recklinghausen/Krusebild

Die Duisburger Philharmoniker haben keinen "Composer in residence" (Gastkomponisten). Aber die Werke des 1959 im baden-württembergischen Gaildorf geborenen Wahl-Bochumers Stefan Heucke werden in unserer Stadt besonders oft aufgeführt. Sie fesseln mit ihrer emotionalen Kraft nicht nur die Freunde der Neuen Musik. Der bisherige Höhepunkt war die Uraufführung seines Oratoriums über den Heiligen und Widerstandskämpfer Nikolaus Groß am 7. Oktober 2011 in der Mercatorhalle (die RP berichtete).

Am vergangenen Sonntag erklangen im Theater Duisburg gleich drei große Werke von Heucke. Am Vormittag im vierten Profile-Kammerkonzert der Philharmoniker im Opernfoyer gab es insgesamt vier Stücke, von denen drei an verstorbene Freunde erinnern und zwei von der Genesung nach schwerer Krankheit erzählen. Wir erlebten Heuckes Sonate für Violoncello und Klavier op. 23a (1995) und seine meisterhaft um d-Moll kreisende Sonate für Violine und Klavier Nr. 1 op. 38 (2000), letztere mit Variationen über das Volkslied "Da unten im Tale" von Johannes Brahms (ursprünglich aus dem Remstal bei Stuttgart, wo Heucke aufwuchs). Sie wechselten hier mit dem Klaviertrio Nr. 1 "mnemosyne" (2010, der Titel bezeichnet die altgriechische Göttin des Gedächtnisses, die Mutter der Musen) von dem 1966 geborenen österreichischen Komponisten Bernd Preinfalk und das Klaviertrio Nr. 1 d-Moll op. 63 (1847) von Robert Schumann. Die zeitgenössischen Werke wirkten fast neoromantisch und korrespondierten somit hervorragend mit dem Schumann-Trio, das zu seiner Zeit durchaus avantgardistisch war. Der philharmonische Konzertmeister Tonio Schibel, die philharmonische Cellistin Anja Schröder und der "Profile"-bewährte Pianist Tobias Bredohl servierten diese Musik kongenial.

Am Abend im Großen Saal gab es dann Heuckes Musikdrama "Iokaste" nach Motiven des Homer und des Sophokles, als Auftragswerk der Duisburger Philharmoniker uraufgeführt am 8. Juni 2014 im Theater Marl als Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen. Da die erste Duisburger Aufführung jetzt eingebunden wurde in das Theatertreffen der 36. Duisburger Akzente "Heimat", war sie erfreulich gut besucht. Das Stück vermittelt erstmalig in der Geschichte des Musiktheaters nicht nur den vollständigen Mythos der Labdakiden aus der Sicht der thebanischen Königin, sondern es ist auch die wohl erste und einzige Oper für nur eine Singstimme und eine Sprechstimme. Die Titelfigur aufzuspalten in ein lyrisches und ein dramatisches Ich, machte es zum einen möglich, zugleich die Entfremdung von und die Begegnung mit den eigenen Gedanken zu zeigen. Zum anderen werfen sich die beiden Protagonistinnen nicht nur als Iokaste die Erzähl-Bälle zu, sondern sie schlüpfen auch in die Rollen der anderen Figuren: König Ödipus, der blinde Seher Teiresias, die Tochter Antigone, der Bruder Kreon, die Tochter Ismene.

Heuckes Musik dazu ist überwiegend tonmalerisch, nur im Moment von Iokastes Selbstmord (und Ödipus' Selbstblendung) abstrahierend. Er ließ sich hier von Richard Wagner, Claude Debussy, Kurt Weill, Filmmusik und Hans Werner Henze zu etwas ganz Eigenem anregen.

Die Mezzosopranistin Birgit Remmert und die Schauspielerin Veronika Maruhn wurden hernach für ihre treffsichere und unglaublich eindringliche Darstellung bejubelt, ebenso der unbestechlich genaue Dirigent Rüdiger Bohn. Nicht zu vergessen die Duisburger Philharmoniker, die im Hintergrund der Bühne ihr Bestes gaben.

(hod)
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