Duisburg Telefonieren mit Anspruch

Duisburg · Im Callcenter des Medizindienstleisters Sanvartis im Gewerbepark Asterlagen absolviert die Hochfelderin Nicole Heikel derzeit ein siebenmonatiges Praktikum. Es ist Teil einer neuen Umschulungsmaßnahme der Arge.

asterlagen Callcenter – es gibt wohl kaum einen Begriff, der Besitzer eines privaten Telefonanschlusses mehr erschaudern lässt. Nervige Anrufe zu unpassender Zeit, abgezockte Senioren und unlautere Geschäftspraktiken sind in aller Munde. Seitdem Enthüllungsjournalist Günther Wallraff "undercover" in einem Callcenter recherchiert hat, kennt Deutschland auch die andere Seite. Die der geknechteten Telefonisten. Von Nervenzusammenbrüchen und Gehirnwäsche weiß Wallraff zu berichten.

Positiv überrascht

"Ich hatte auch dieses negative Bild", gibt Nicole Heikel zu. Dementsprechend verhalten reagierte die 32-Jährige, als ihr die Arge im April vergangenen Jahres die Teilnahme an einer neuen Umschulungsmaßnahme zur Kauffrau für Dialogmarketing im Asterlager Callcenter der Sanvartis GmbH anbot. Nachdem die Hochfelderin erfuhr, was sie tatsächlich erwartet, war sie interessiert. Jetzt ist sie begeistert. Mit Callcenter-Tätigkeit im landläufigen Sinn hat Heikels Tätigkeit bei Sanvartis nämlich nichts zu tun. Telefonieren ist zwar ihre Hauptaufgabe, doch die Anforderungen gehen weit darüber hinaus.

Die zweijährige Umschulung wird von der Duisburger Arge erstmalig angeboten. "Wir haben festgestellt, dass auch in der Callcenter-Branche qualifiziertes Personal gebraucht wird", erklärt Oliever Vrabec von der Arge. Insgesamt 21 ausgesuchte Arge-Kunden nehmen an der Maßnahme teil. Sie besteht aus einem schulischen Teil, der beim Weiterbildungspartner SfS Schulungsgesellschaft durchgeführt wird. Darin lernen die Azubis beispielsweise den Umgang mit Datenverarbeitungsprogrammen. "Es wird auch kaufmännisches Grundwissen vermittelt", erläutert SfS-Geschäftsführerin Judith Talian. Am Ende stehe eine Prüfung bei der Industrie- und Handelskammer. Daneben absolvieren die Umschüler ein siebenmonatiges Praktikum in Unternehmen der Callcenter-Branche.

Bei Sanvartis im Gewerbepark Asterlagen, wo Nicole Heikel ihre praktischen Erfahrungen sammelt, fühlt sich die 32-Jährige "herzlichst aufgenommen". Hier kann sie auch das in ihrem ursprünglichen Lehrberuf gesammelte Fachwissen einbringen. Zwischen 1993 und 96 ließ sich die Hochfelderin zur Arzthelferin ausbilden, arbeitete zwei Jahre in dem Beruf und wurde dann schwanger. "Seitdem habe ich nur Gelegenheitsjobs bekommen, weil man als alleinerziehende Mutter kaum eine Festanstellung kriegt", bedauert Heikel.

Aussicht auf Übernahme

"Bei uns ist das kein Problem", betont Sanvartis-Chef Dr. Christoph Bug. Man schätze derart qualifizierte Azubis wie Nicole Heikel und stelle ihr auch eine Übernahme in Aussicht. Es sei jedoch schwer, geeignete Bewerber zu finden. Wenn der Begriff Callcenter falle, würden viele sofort abwinken. Dabei gebe es nicht nur schwarze Schafe in der Branche, "aber die machen uns das Leben schwer".

(RP)
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