Duisburg Swingend auf einem wackeligen Laufsteg

Duisburg · Das brasilianische Künstlerpaar Rejane Cantoni und Leonardo Crescenti schuf für die Triennale eine 70 Meter lange Installation.

 Jung und Alt sind eingeladen, die Aluminium-Installation "Melt" in der einstigen Hochofenstraße des Landschaftsparks zu betreten.

Jung und Alt sind eingeladen, die Aluminium-Installation "Melt" in der einstigen Hochofenstraße des Landschaftsparks zu betreten.

Foto: christoph reichwein

Im vergangenen Jahr wurde die Installation "test pattern (100m)" von Ryoji Ikeda zu einem Publikumsmagneten bei der Triennale. Tausende Menschen strömten damals in die Kraftzentrale des Landschaftsparks Duisburg-Nord (Anschrift: Emscherstraße 71). Und auch in diesem Jahr gibt es wieder eine gigantische Installation zur Triennale in Duisburg. Diesmal aber nicht in einem geschlossenen Raum, sondern halboffen am Hochofen 2. "Melt" (=schmelzen oder Schmelze) heißt die Arbeit des brasilianischen Künstlerpaares Rejane Cantoni und Leonardo Crescenti, das vorzugsweise an Orten arbeitet, die man nicht mit Kunst verbindet. Allerdings kann man sich auch fragen, ob "Melt" als "Kunstwerk" verstanden werden muss.

Wer den Weg zur Installation finden will, muss sich nicht unbedingt an den Hinweisschildern orientieren, man kann auch der Geräuschkulisse folgen. "Melt" ist ein 70 Meter langer und drei Meter breiter "Laufsteg", der aus 50 polierten Aluminiumplatten besteht, die auf 1800 Sprungfedern gelagert werden. Die Besucher sind eingeladen, sich auf diesem im Kunstlicht matt spiegelnden Pfad zu bewegen. Dabei scheppern die Aluminiumplatten lautstark, schwanken und neigen sich unter den Fußtritten. Bewegen sich mehrere Menschen auf der Installation, so beeinflussen sie gegenseitig die schwingenden Bewegungen der Aluminiumplatten. Man läuft auf wankendem, beziehungsweise federndem Grund. Das macht den meisten Besuchern sichtlich Spaß. Gestandene Männer und Frauen hüpfen bisweilen wie Kinder über die wackelige Piste, die an eine Schmelzstraße im einstigen Hüttenwerk erinnert. Der schwingende "Boden" verleiht einen "Swing"-Effekt, bringt die Mitläufer in Kontakt zueinander.

Natürlich lässt sich das Ganze auch bedeutungsaufgeladen interpretieren. Im Interview erklären die beiden Künstler ihre Arbeit so: "'Melt' zielt ab auf die Fähigkeit des Subjekts, signifikante Aktionen zu verstehen - und bewusst Ergebnisse, Wahlmöglichkeiten und Entscheidungen zu beobachten - sowie auf Machtspiele, Spannungen und die Herausforderungen des Zusammenlebens im physischen und informationellen Raum." Wie dem auch sei: "Melt" sorgt für Bewegung im Landschaftspark und gibt dem Duisburger Triennale-Part eine heitere Note. Wer auf der "Melt"-Straße gelaufen ist und wieder "festen Boden" betritt, braucht - wie nach einer längeren Schiffsreise - eine Zeitlang, bis sich der Gleichgewichtssinn wieder stabilisiert hat. Das ist unvermeidlich, mit oder ohne tiefere Bedeutung.

Wer das "Melt"-Erlebnis genossen und verarbeitet hat, sollte unbedingt einige Schritte weitergehen, um die überaus interessante Natur-Inszenierung "Refugien II" in den ehemaligen Erz- und Tagesbunkern zu besichtigen. Die beiden (Landschafts-)Künstler Detlef Kelbassa und Corinna Kuhn haben ein Panoptikum von Objekten und seltenen, zum Teil sogar gefährlichen Pflanzen geschaffen. Dabei geht es um das "Beziehungsgeflecht und Beziehungsgefecht" zwischen Mensch und Natur. Ein Hauptmatador ist dabei der Riesen-Bärenklau, ein Staudengewächs, das man nicht berühren darf, weil der Pflanzensaft hochgiftig und ätzend ist.

"Melt" kann täglich bis zum 28. September zwischen 10 und 23 Uhr betreten werden. "Refugien II" bis 5. Oktober. Der Eintritt ist jeweils frei.

(RP)
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