Dritter Jahrestag der Loveparade-Katastrophe Suche nach angemessenem Gedenken

Duisburg · Groß und offiziell in der Salvatorkirche, klein und privat am Unglücksort und im Kantpark, wurde am Mittwoch der 21 Toten der Loveparade gedacht. Doch das Erinnern ist (noch) nicht im Bewusstsein der Duisburger verankert.

Wenn Christiane Krause in Duisburg ist, raucht sie Kette. Ihre Packung Lucky Strikes liegt stets griffbereit — die Kippen helfen, den Tag durchzustehen. Duisburg wird für Christiane Krause nie mehr eine normale Stadt werden. Duisburg ist die Stadt, wo Kevin starb. Er ist eines von 21 Todesopfern der Loveparade vor drei Jahren. Und er war der Pflegesohn von Christiane Krause. "Deshalb habe ich Bauchschmerzen, sobald ich in Duisburg bin. Und doch muss ich kommen", sagt Krause. Die Bremerin kommt, um zu trauern. Das ist am dritten Jahrestag der Katastrophe nicht anders als bei anderen Besuchen in der Stadt, wo sich Krause im Selbsthilfeverein der Hinterbliebenen engagiert.

Anteilnahme der Öffentlichkeit bleibt aus

Als um 17 Uhr die Glocken der Salvatorkirche läuten, hält Christiane Krause den Atem an. Der Rest der Stadt nicht. Auf der Königstraße montieren Schausteller ihre Buden für das Stadtfest, in den Geschäften läuft der normale Betrieb. Darauf angesprochen, reagiert der Vorsitzende des Selbsthilfevereins mit Verständnis. "Wir wollen auch gar nicht, dass das Erinnern an die Katastrophe eine Verpflichtung ist", sagt Jürgen Hagemann. Für die Hinterbliebenen sei wichtig, untereinander eine Stütze zu sein. Deshalb sei es egal, dass beim organisierten Picknick im Kantpark die Anteilnahme der Öffentlichkeit ebenso ausbleibt wie schon zuvor bei der Kranzniederlegung an der Gedenkstätte.

Nur wenige Betroffene hatten sich dort am Mittag zusammen gefunden, um am Ort des Unglücks ein eine Kerze anzuzünden und einen Strauß Blumen niederzulegen. Auch die Ankunft von Angehörigen der Todesopfer, die aus der Innenstadt zu Fuß zum Tunnel an der Karl-Lehr-Straße kommen wollten, verzögerte sich erheblich. Um 14.30 Uhr wurde der Tunnel schließlich für die Öffentlichkeit gesperrt.

"Ich will das vergessen"

Und auch in der Innenstadt ist Stunden bevor in der Salvatorkirche Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bei der offiziellen Gedenkstunde zugegen ist, von Trauer und Anteilnahme nichts zu spüren. Als sie auf die Katastrophe und das Gedenken angesprochen werden, reagieren viele Duisburger unwirsch. Die sich doch äußern, haben ganz unterschiedliche Einstellungen zum Jahrestag. "Wir waren nicht betroffen. Aber man darf das nicht ruhen lassen. Die Gänsehaut beim Erinnern ist richtig", sagt Nicole Wist, die mit ihrer Tochter unterwegs ist. Aileen Danes hingegen war selbst Besucherin der Loveparade und will nicht mehr zurückschauen: "Es war wirklich ein schlimmes Erlebnis. Ich will das vergessen." Eine Haltung, die Michaela Lamers nicht teilen kann. Sie ist überzeugt, dass es die Gedenkfeiern braucht. Das Unglück gehöre zu Duisburg: "Man darf das nicht totschweigen."

Christiane Krause, die noch im Kantpark bei den anderen Betroffenen sitzt, kann diesen Satz nicht hören. Doch sie würde sich wohl freuen. Zu lange sei geschwiegen worden, sagt sie: "Noch immer warten wir auf die strafrechtliche Aufarbeitung." Krause will einen Abschluss. Für Kevin und für sich selbst: "Dann muss ich vielleicht nicht mehr nach Duisburg. Das wäre schön."

(sgo)
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