RP-THEMA GLÜCK Neue Hoffnung für Herzinfarktpatienten

Duisburg · Prof. Wolfgang Schöls vom Herzzentrum Meiderich und eine Medikamentenstudie, die für viele Patienten großes Glück bedeuten kann.

 Prof. Wolfgang Schöls , Chefarzt der Angiologie im Herzzentrum Meiderich, hat an einer Studie mitgewirkt, die Infarktpatienten zu neuem Lebensglück verhelfen kann.

Prof. Wolfgang Schöls , Chefarzt der Angiologie im Herzzentrum Meiderich, hat an einer Studie mitgewirkt, die Infarktpatienten zu neuem Lebensglück verhelfen kann.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Helmut Schmidt war ein Kettenraucher – und wurde 96 Jahre alt. Der Altbundeskanzler wurde zwar mehrfach am Herzen operiert, rauchte aber bis ins hohe Alter. Andere Menschen haben schon mit 50 gesundheitliche Probleme mit Arteriosklerose, im Volksmund „Arterienverkalkung“ genannt, und erleiden Infarkte. „Helmut Schmidt hatte sicher gute Gene“, sagt Prof. Wolfgang Schöls. Der Chefarzt der Angiologie im Herzzentrum Meiderich weiß inzwischen, wie man Menschen helfen kann, die nicht ganz so gute Gene haben wie der Hanseat. Von einer medizinischen „Sensation“ möchte Schöls aber nicht sprechen. Für weltweite Furore hat das Forschungsergebnis einer Infarkt-Studie aber schon gesorgt. Allerdings war das Meidericher Herzzentrum dabei nur ein Rädchen im Forschungsgetriebe: Mehr als drei Jahre lang haben weltweit 10.061 Patienten an dieser Studie teilgenommen – einige eben auch in Meiderich.

Schöls hat an der sogenannten „Cantos“-Studie des Pharmazieriesen Novartis mitgewirkt. Das Ergebnis: Es ist nicht allein das schädliche Cholesterin und die damit verbundenen Verengungen der Gefäße durch angesammeltes Plaque, die letztlich einen Infarkt auslösen. Es sind vielmehr Entzündungen, die ausschlaggebend sind. Dagegen lässt sich etwas machen – und das gibt vielen Herzinfarktpatienten Hoffnung und eine neue Perspektive.

Zuvor war allgemein bekannt, dass schlechte Cholesterinwerte zu Ablagerungen an der Innenseite von Gefäßen führen können. Die Verengung von Arterien und ein gestörter Blutfluss sind die Folgen. „Das alleine ist aber noch nicht besorgniserregend. Selbst ein Gefäß, dass zu 80 Prozent verengt ist, muss nicht zu einem Infarkt führen“, sagt Schöls. Der Erkrankte käme vermutlich beim Treppensteigen schnell ins Schnaufen, weil durch sein Blut nicht schnell genug Sauerstoff transportiert würde. „Dagegen führt auch eine vergleichsweise kleine Verengung von vielleicht zehn Prozent zum Herzinfarkt, wenn in einem Herzkranzgefäß eine Fettablagerung platzt und das Gefäß verstopft.“ Die Frage, die sich den Forschern weltweit stellte: Warum platzen manche Ablagerungen auf und führen zum Herzinfarkt, während andere, die auch deutlich größer sein können, über Jahrzehnte stabil bleiben? Darauf hat die Studie, die Schöls mit Unterstützung der Studienkoordinatorin Dunja Schulenburg in Meiderich über eine längere Zeit durchgeführt hat, eine eindeutige Antwort gegeben – in Einklang mit den Ergebnissen anderer Hospitäler in der ganzen Welt, die ebenfalls daran beteiligt waren.

Die „Cantos“-Studie hat Vermutungen belegt, die bisher nicht bewiesen werden konnten: Es sind Entzündungen innerhalb der Lipidansammlungen in den Arterien, die die von einer schützenden Schicht umgebende Plaque aufplatzen lassen und zum Verschluss führen. „Die Entzündungswerte lassen sich durch einen Test auf sogenannte C-reaktive Proteine (CRP) nachweisen“, erläutert Schöls. Sind die CRP-Werte erhöht, steigt die Gefahr eines neuerlichen Herzinfarktes deutlich an.

Die CRP-Werte lassen sich durch Laboruntersuchungen des Blutes nachweisen. „Das ist allerdings sehr aufwändig und kann nur von Speziallaboren durchgeführt werden. Die Werte liegen schließlich im Pikogramm-Bereich.“ Ein Pikogramm ist ein Billonstel Gramm – also (fast) unvorstellbar klein. Die logische Schlussfolgerung der Mediziner: Wenn die Entzündungswerte Auskunft geben über eine mögliche erhöhte Infarktgefährdung, muss man die Entzündung bekämpfen – und hat damit gleich etwas gegen Infarkte getan. Um die CRP-Werte zu drücken, gibt man Antikörper. „Wir hatten eine spezielle Patientengruppe für die Studie: Die Teilnehmer hatten schon einmal einen Infarkt, und sie hatten erhöhte CRP-Werte“, so Schöls. Die Studie belegt: Die Antikörper wirken.

Nun liegt es an dem Pharmazieunternehmen, daraus auch ein gängiges Präparat herzustellen. „Mitte nächsten Jahres könnte die Arznei durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen werden“, so Schöls. Ob es dann auch später zur Regelleistung von Krankenkassen gehören wird, steht auf einem anderen Blatt, zumal die nötigen CRP-Tests nicht gerade zu einer Standard-Untersuchung gehören. Wenn sich dadurch allerdings Herzinfarkte verhindern lassen, könnte sich das doch wirtschaftlich rechnen. Möglicherweise könnte die neue Medizin auch prophylaktisch Herzinfarkten vorbeugen.

Für viele Herzinfarktpatienten – weltweit – könnte das mit Hilfe des Meidericher Herzzentrums konzipierte Medikament zum ganz großen Glück werden. Auch für Dunja Schulenburg, Wolfgang Schöls und ihr Team in der Angiologie bedeutet die Studie so etwas wie ein Stück vom Glück. Wenn auch ein hart erarbeitetes.

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