Duisburg Studentenlieder und Opiumrausch

Duisburg · Prominenter Solist im jüngsten, dritten Philharmonischen Konzert im gut gefüllten Theater am Marientor (TaM) war der 1972 in Wien geborene Pianist Till Fellner. Höhepunkt war die "Symphonie fantastique" von Hector Berlioz.

 Dirigent Giordano Bellincampi, der einen Tag zuvor seinen Vertrag als Duisburger Generalmusikdirektor um drei Jahre verlängert hat, freut sich zusammen mit den Orchestermusikern über den Schlussapplaus.

Dirigent Giordano Bellincampi, der einen Tag zuvor seinen Vertrag als Duisburger Generalmusikdirektor um drei Jahre verlängert hat, freut sich zusammen mit den Orchestermusikern über den Schlussapplaus.

Foto: sabine smolnik (Du. phil.)

Das jüngste, dritte Philharmonische Konzert im Theater am Marientor begann eher unspektakulär. Johannes Brahms hatte seine Akademische Festouvertüre c-Moll op. 80 1880 über vier Studentenlieder geschrieben, von denen zumindest das festlich abschließende "Gaudeamus igitur" heute noch bekannt ist. Die klug disponierte Aufführung durch die Duisburger Philharmoniker unter der Leitung von Generalmusikdirektor Giordano Bellincampi ließ praktisch keine Wünsche offen.

Spannender wurde es danach mit dem Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur op. 58 (1805/06) von Ludwig van Beethoven. Zum einen, weil so der musikhistorische rote Faden des Abends klar wurde: "Wer vermag nach Beethoven noch etwas zu machen" (fragte Franz Schubert), "wenn er immer so einen Riesen hinter sich marschieren hört" (ergänzte Brahms). Zum anderen, weil mit dem 1972 in Wien geborenen Till Fellner ein prominenter Solist ins TaM gekommen war. Er bestach durch einen unaufdringlich und makellos klaren Anschlag sowie emotionale Zielsicherheit. Einige unmotiviert wirkende Temporückungen fielen da weniger ins Gewicht. Die Duisburger Philharmoniker bildeten mit dem Pianisten eine konzentrierte Einheit – was umso bemerkenswerter erscheint, als schon Beethovens Schüler Carl Czerny bemerkte, dass "die Clavierstimme mit dem Orchester sehr genau verflochten ist", was das Zusammenspiel zu einer großen Herausforderung werden lässt. Von welchem Komponisten Till Fellner aber seine innere Ruhe gelernt hatte, zeigte sich endgültig in der Zugabe, der Sinfonia (dreistimmigen Invention) Nr. 13 a-Moll BWV 799 von Johann Sebastian Bach. Da war der zukünftige Zürcher Klavierprofessor ganz bei sich.

Das dritte Thema des Konzerts war die Frage, ob Musik ein außermusikalisches Programm haben kann. Schon dem langsamen Satz von Beethovens viertem Klavierkonzert wurden immer wieder konkrete Geschichten zugeschrieben. Die Programmsinfonie erfand aber Hector Berlioz 1830 mit seiner "Symphonie fantastique" op. 14. Ausgangspunkt der Komposition war seine einseitige Liebe zu der irischen Shakespeare-Schausspielerin Harriet Smithson. (Prosaische Pointe der romantischen Geschichte: Fünf Jahre später wurde sie seine Frau, doch die Ehe war unglücklich, wurde aber bis zum Tod der Schauspielerin 1854 aufrecht erhalten.) Inspiriert wurde Berlioz zudem fühlbar durch Beethovens "Pastorale", doch machte er daraus etwas ganz Neues. Ein Thema durchzieht alle fünf Sätze, genannt "idée fixe" (daher heißt der Hund von Asterix "Idefix").

Das war nun nicht nur der längste, sondern auch der leidenschaftlichste und offenbar am gründlichsten geprobte Teil des Abends. Wunderbar, wie Bellincampi jedes einzelne Mitglied der Philharmoniker den überspannten Charakter dieser Musik fokussiert ausspielen ließ, und das nicht nur im vierten Satz, der Beschreibung eines Opiumrauschs. Ergreifend auch der stille dritte Satz "Szene auf dem Lande", in dem zwei Hirten auf und hinter der Bühne spielen. Am Schluss wiederholt einer der Hirten (am einsamen Englischhorn) den Kuhreigen, doch der andere antwortet nicht mehr.

(hod)
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