Bernard Dietz im Interview "Düsseldorf hat einen genauso großen Druck"

Duisburg · Um 18.30 Uhr trifft die Fortuna auf den MSV - beide stecken im Abstiegskampf in der 2. Bundesliga. Düsseldorf ist 16., hat zwölf Punkte. Duisburg ist Letzter mit sieben Zählern. Einer, dem diese Entwicklung missfällt, ist MSV-Urgestein Bernard Dietz (67).

Ein Bild aus besseren Zeiten: Bernard Dietz trift für den MSV in der Bundesliga gegen Hertha.

Ein Bild aus besseren Zeiten: Bernard Dietz trift für den MSV in der Bundesliga gegen Hertha.

Foto: dpa, dpa

Der stellvertretende Vorstand des MSV lenkt sich vom tristen Fußball-Alltag derzeit mit Arbeiten an seinem Haus in Drensteinfurt bei Münster ab.

Herr Dietz, wobei unterbreche ich Sie gerade?

Dietz Wenn man ein Häuschen hat, gibt es immer was zu tun. Im Moment steht Arbeit im Garten an.

Wo ist denn die Baustelle größer, in Ihrem Garten oder beim MSV?

Dietz Ich glaube schon beim MSV. Aber ich hoffe, wir haben die mit der Verpflichtung von Ilia Gruev als neuem Trainer ein bisschen abgebaut. Es fing ja schon gut an, mit dem 1:1 gegen Freiburg im ersten Spiel.

Sie hatten kurz nach dem Trainerwechsel geäußert, dass man sich früher von Aufstiegscoach Gino Lettieri hätte trennen müssen. Warum?

Dietz Ich will da jetzt nicht nachkarten, aber man hatte zuletzt keine Entwicklung in der Mannschaft gesehen. Daher hatte ich mich dafür ausgesprochen, schon vor dem Spiel gegen 1860 München zu handeln. Aber in Düsseldorf läuft es ja nicht besser. Die wollten eigentlich um den Aufstieg mitspielen und hängen jetzt hinten drin.

Wie wichtig ist das Spiel heute für den Saisonverlauf?

Dietz Sehr, sehr wichtig. Düsseldorf hat einen genauso großen Druck. Ein Punkt ist eigentlich zu wenig. Danach kommen noch zwei Spiele, dann ist die Halbserie vorbei. Und Rückserie heißt, es geht dem Ende entgegen.

Ist es ein Vor- oder ein Nachteil, dass dieses wichtige Spiel zudem Derbycharakter hat?

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Dietz Die Brisanz ist da. Da herrscht sportliche Rivalität, das finde ich toll. Jetzt ist sie noch ein Stück größer. Es spielen ja beide um die Existenz. Da ist also noch mehr Feuer drin.

Dass das Derby überhaupt stattfindet, war ja zuletzt aufgrund der dramatischen Ereignisse rund um die Nationalmannschaft unsicher. Finden Sie es richtig, den Spieltag auszutragen?

Dietz Sollen wir uns verkriechen, jeder bleibt in seinem Häuschen und hat Angst rauszugehen? Eine absolut richtige Entscheidung.

Besuchen Sie heute die Düsseldorfer Arena?

Dietz Nein, aber nicht aus Angst, ich feiere den sechsten Geburtstag von einem meiner fünf Enkel. In diesem Fall geht die Familie vor. Ich fiebere dann live am Fernseher mit meinem MSV.

Aber Sie werden demnächst wieder ein Stadion besuchen. Ohne Angst?

Dietz Es ist verrückt. Vor einer Woche war alles in Ordnung, und jetzt muss man sich solche Gedanken machen. Ich glaube, dass Situationen kommen werden, in denen man ein mulmiges Gefühl hat. Wir sind in den vergangenen 70 Jahren nicht mit Krieg in Kontakt gekommen, haben ein wunderbares Land, in dem wir frei leben können. Es ist traurig, dass es so gekommen ist, ohne dass wir daran irgendeine Schuld tragen. Dafür ist mein Gehirn zu klein, um das zu begreifen.

Wolfgang Holzhäuser aus dem Gesellschafterausschuss von Bayer Leverkusen fordert in unserer Zeitung personalisierte Tickets mit Fingerabdrücken. Ist das der richtige Weg?

Dietz Es ist klar, dass man derzeit nicht vorsichtig genug sein kann. Man muss alles Menschenmögliche versuchen, um diese schlimmen Leute zu fassen, und da braucht es Maßnahmen. Es geht schließlich um die Sicherheit der Menschen.

Kommen wir wieder zum Sportlichen. Was macht Sie zuversichtlich, dass mit Gruev die Wende gelingt?

Dietz Wir müssen bis zur Winterpause auf Tuchfühlung bleiben, und dann kann er die Jungs auf Vordermann bringen. Im Training ist jetzt wieder Leben drin. Ilia ist jung, akribisch und kennt den Fußball. Er kann den Jungs Fußball erklären. Und: Es ist ganz wichtig, dass er die Spieler starkreden kann.

Nach dem Zwangsabstieg 2013 gelang der Wiederaufstieg in diesem Sommer. Schauen wir auf die Perspektive des MSV. Wohin soll die Reise langfristig führen?

Dietz Spielerisch waren wir 2013 in der Rückrunde unter Kosta Runjaic und Ilia Gruev das beste Team. Nur einer, unser Geschäftsführer (Roland Kentsch, Anm.d.Red.) hat uns voll auflaufen lassen. Aber die Fans haben uns sensationell die Treue gehalten. Dank ihnen sind wir wieder aufgestiegen. Jetzt müssen wir die Klasse halten, den Verein weiter entschulden und in drei bis vier Jahren können wir vielleicht über den Aufstieg in die Bundesliga sprechen.

PATRICK SCHERER FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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