Duisburg Schwarz-weißer Blick auf die Dinge

Duisburg · In unserer Serie über die Sammlung im privaten Museum DKM stellen wir heute eine Fotoarbeit von Albert Renger-Patzsch (1897-1966) vor, der sich mit dem Ruhrgebiet in der Zeit zwischen den Kriegen beschäftigt hat.

 "Bergmannskleidung" heißt die 1930 entstandene Schwarz-Weiß-Fotografie von Albert Renger-Patzsch.

"Bergmannskleidung" heißt die 1930 entstandene Schwarz-Weiß-Fotografie von Albert Renger-Patzsch.

Foto: dkm

Klassische und zeitgenössische Fotografie bilden einen der fünf Schwerpunkte in der Sammlung des Museums DKM. Besonders hervorzuheben sind die Fotografien von Albert Renger-Patzsch (1897–1966), dessen Ruhrgebiets-Landschaften aus der Zeit zwischen den Weltkriegen sich thematisch und geografisch hervorragend in die Dauerausstellung einfügen.

Die kontrastreiche, von Kohle und Stahl geprägte Landschaft des Ruhrgebiets im frühen 20. Jahrhundert erwies sich als nahezu unerschöpflicher Fundus für das dokumentarische Auge Renger-Patzschs. Er hielt mit seiner eigenen Bildsprache fest, was für alle sichtbar war, jedoch für die wenigsten als bildwürdig erschien. Bereits in seiner Kindheit lebte Renger-Patzsch mehrere Jahre in Essen, nach einem abgebrochenen Chemiestudium wurde er 1922 Leiter des Bildarchivs im Folkwang-Verlag in Hagen. 1925 entschied er sich, als selbstständiger Fotograf ohne Ausbildung zu arbeiten. Durch den Umzug nach Essen (1929) und die Bereitstellung von Atelierräumen im Museum Folkwang hatte Renger-Patzsch die Möglichkeit, u.a. seine Reihe der Ruhrgebiets-Landschaften fortzuführen.

So entstand 1930 die im Museum DKM ausgestellte schwarz-weiße Fotografie "Bergmannskleidung". In ihrem Mittelpunkt steht eine am Hang montierte Wäscheleine. An dieser hängt das Ergebnis schweißtreibender, "ehrlicher" Arbeit. Zum einen die der unter Tage schuftenden Männer der Siedlung, zum anderen die der Frauen, die unermüdlich und mit einfachsten Mitteln versuchten, die weiße Bergmannskleidung wieder in einen repräsentablen Zustand zu versetzen. Die Szene spiegelt den Versuch wider, den allgegenwärtigen Schmutz der Industrie aus der geschaffenen Oase der eigenen vier Wände herauszuhalten.

Der Bildhintergrund wird von der Rückseite eines zweistöckigen Wohnhauses dominiert. Der Blick auf die Rückseite des Arbeiterhauses am Stadtrand mit dem leichten Hügel, der Wäscheleine und der Arbeitskleidung stellt mehr als eine dokumentarische Leistung dar. Die Übertragung der Alltagswirklichkeit auf kostbares Fotopapier leitet an zum aufmerksamen Betrachten der eigenen Umwelt, zu einer aktiven Wahrnehmung von Orten, an denen wir früher achtlos vorbeigegangen sind. Auffällig ist, dass weder Personen noch Industriebauten Bestandteil der fotografierten Szene sind, ihre physische Präsenz jedoch nahezu spürbar ist. Dies ist symptomatisch für die Fotografien von Albert Renger-Patzsch. Im Zentrum des Interesses steht die vom Menschen geschaffene und/oder hinterlassene Landschaft sowie das Arbeits- und Alltagsleben der Menschen in Großstädten, jedoch nicht der Mensch selbst. Der Autodidakt Renger-Patzsch strebte absolute Gegenstandstreue bei perfekter technischer Beherrschung der optischen und chemischen Vorgänge an. Neben der Industrie galt sein fotografisches Interesse Pflanzen, Tieren und im Besonderen Materialien sowie Industrieprodukten. Der nüchterne, sachliche Blick Renger-Patzschs erregte mit der 1928 erschienenen Publikation "Die Welt ist schön" sehr großes Aufsehen und verschaffte ihm seinen heutigen Status als "Vater der modernen Fotografie" und Mitbegründer der Neuen Sachlichkeit. Der Blick auf die Dinge, mit dem Renger-Patzsch nicht nur die Ruhrgebiets-Landschaften dokumentierte, stellt heute einen unschätzbaren Wert für die Erinnerungskultur im Revier dar.

Sarah Kraschewski, die Autorin dieses Artikels, ist wissenschaftliche Volontärin im Museum DKM.

(RP)
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