Interview: Serie Innenansichten Restaurierte Trinkgläser aus der Kloake

Duisburg · Doris Lydia Stark ist Restauratorin am Kultur- und Stadthistorischen Museum. Ihr Spezialgebiet sind historische Gläser, Keramiken und Metall. Mit ihrer Arbeit bewahrt sie teils Jahrtausende alte Kunst- und Kulturgüter für die Nachwelt.

 Restauratorin Doris Lydia Stark zeigt eine Glaskaraffe aus dem ersten Jahrhundert nach Christus. Das Stück war jüngst bei einer Römerausstellung in Moers zu sehen.

Restauratorin Doris Lydia Stark zeigt eine Glaskaraffe aus dem ersten Jahrhundert nach Christus. Das Stück war jüngst bei einer Römerausstellung in Moers zu sehen.

Foto: Christoph Reichwein

Ganz vorsichtig nimmt Doris Lydia Stark das Päckchen aus der großen Transportkiste. Der Inhalt ist dick in polsternde Noppenfolie und ein Plastikgefäß verpackt. Sie trägt lilafarbene Gummihandschuhe und wickelt das gute Stück ganz vorsichtig aus - zum Vorschein kommt ein dunkelroter gläserner Trinkbecher. "Der stammt aus dem ersten Jahrhundert nach Christus und wurde bei Grabungen in Asciburgium entdeckt", erläutert sie. Stark ist Restauratorin am Kultur- und Stadthistorischen Museum am Johannes-Corputius-Platz. Dort ist sie für die Konservierung und Restaurierung sowie die wissenschaftlich-technologische Erfassung der rund 100 000 Kunst- und Kulturgüter verantwortlich.

Der etwa zweitausend Jahre alte Trinkbecher kommt, wie auch die anderen Stücke in der Box, gerade von einer Römer-Ausstellung im benachbarten Moers zurück. Ebenso wie die zarte hellblaue Glaskaraffe, die aus demselben Jahrhundert stammt. Gefunden wurden diese Stücke auf der gegenüberliegenden Rheinseite, wo vor rund 2000 Jahren die Römer ihr Kastell errichtet hatten. Jedoch tauchten diese Fundstücke - wie die meisten - nicht als Ganzes, sondern in vielen Scherben und Einzelteilen auf. Die muss Stark dann zunächst fachgerecht von Verschmutzungen und Erosionsauflagen befreien und mit viel Geduld wie ein Puzzlespiel wieder neu zusammensetzen. Oft bleiben Teile der Objekte verschollen. Diese werden dann, soweit nötig, durch Rekonstruktionen ersetzt. Auch Urnen aus der Bronzezeit - Fundstücke aus dem Duisburger Süden -, Wangenklappen historischer Helme, Gewandschließen oder Bergkristalle mit Bronzefassung finden sich unter den Objekten, die von der Restauratorin betreut werden.

Unter Beachtung berufsethischer und künstlerischer Gesichtspunkte muss jeder Restaurator vor einer Konservierung oder Restaurierung zunächst ein Konzept erstellen, das die bestmögliche Erhaltung und Wahrung der Authentizität des Werkes erlaubt. Erhaltende Maßnahmen haben dabei Vorrang vor restauratorischen Maßnahmen, die in der Regel tiefer in das Objekt eingreifen. Inhalte des Konzeptes sind sowohl Vorgehensweise und Methodik als auch die Zielvorstellung.

Seit 30 Jahren arbeitet Stark schon als Restauratorin, ein Großteil davon in ihrer Heimatstadt Duisburg. Besonders spezialisiert ist sie auf das Restaurieren und Konservieren von Glas, Keramik und Metallen. Wenn die von Archäologen gefundenen Gegenstände erstmals auf ihrem Tisch landen, müssen diese zunächst einmal freigelegt werden. Dabei werden etwa Verunreinigungen oder Korrosion vorsichtig, oftmals mit dem Pinselchen, entfernt.

Das geschieht auch unter dem Mikroskop. "Ich kann hier bis zu 65-fach vergrößern, üblich ist aber zehnfach", erläutert die Fachfrau, deren Berufskleidung ein weißer Kittel ist. Den trägt sie, weil viele der historischen Stücke mit Keimen belastet sind, die sie nicht auf der Privatkleidung mit nach Hause nehmen möchte - denn oftmals werden die Kulturgüter in ehemaligen Kloaken oder in Gräbern entdeckt. Manche der Fundstücke werden sogar geröntgt, bevor die Restauratorin sie freilegt. "Röntgenbilder geben Aufschluss über den Erhaltungszustand des Exponats und zeigen, was sich in dem Klumpen befindet."

Auch für die Konzeption von Ausstellungen ist Stark zuständig. Gerade arbeitet sie an der Neugestaltung der Römer-Vitrine, die deshalb momentan leersteht. "Ich bin außerdem auch für die sachgerechte Lagerung und den sicheren Transport der Objekte verantwortlich", erläutert die Restauratorin. So kümmert sie sich etwa darum, dass die wertvollen Karten Gerhard Mercators in Metallschränken aufbewahrt werden und nicht, wie früher, in Holzschränken. "Die Lagerung von Grafikpapier in Holzschränken ist nicht gut, weil Holz Schadstoffe emittiert. Man braucht zertifizierte schadstofffreie Materialien in der Lagerung", erklärt sie.

Zu ihren Aufgaben gehört auch, dafür zu sorgen, dass die Exponate heil von einem Ort zum anderen kommen. Runtergefallen sei ihr zum Glück noch nie etwas. "Ich transportiere alles gut verpackt und in Kartons geschützt auf Wagen. Man weiß ja nie, ob man nicht womöglich stolpert oder jemand anderes einen versehentlich anrempelt." Die Vorsorge gehe sogar soweit, dass sie vor dem Transport den geplanten Weg abgehe und nach möglichen Hindernissen und Stolperfallen, wie etwa herumliegenden Leitern oder Kabeln, Ausschau halte. Nach rund 200 Ausstellungen, die sie bislang mit auf- und abgebaut hat, dürfte sie auch darin wohl Profi sein.

(RP)
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