Duisburg Rechtsfreie Räume in Marxloh

Duisburg · Bürgermeister Volker Mosblech befürchtet, dass die gut gemeinten Verbesserungsideen nicht ausreichen. Er selbst würde heute nicht mehr im Dunkeln allein durch den Stadtteil laufen.

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"Der soziale Frieden in Marxloh ist massiv gefährdet" - stellt die Stadtverwaltung fest, deren Handlungskonzept für den Stadtteil am Montag vom Rat der Stadt mehrheitlich angenommen wurde. "Wir haben in Marxloh rechtsfreie Räume", beschreibt es Volker Mosblech. Der CDU-Bundestagsabgeordnete für den Duisburger Norden und Ratsherr gibt offen zu: "Durch einige Viertel würde ich abends bestimmt nicht alleine laufen."

Mitte der Woche hatte die Polizei mal wieder in Marxloh einen Großeinsatz, weil sich zwei Männer stritten, in Windeseile "Unterstützer" zur Stelle waren und sich eine große Zuschauermenge einfand. Vor allem in den Straßenzügen westlich der Weseler Straße nehmen Einsätze zu, die zahlenmäßig großes Polizeiaufgebot erfordern. Wer dort lebt, gehört eher nicht zu der Gruppe der Begüterten und Gebildeten. Dort treffen im wahrsten Sinne des Wortes Nationen auf einander. Mehr als jeder vierte in Duisburg lebende Rumäne oder Bulgare ist inzwischen dort ansässig, weil Wohnraum freisteht und preiswert ist. Unterschiedliche Lebensweisen, Religionen, Temperamente prallen auf generelle Vorbehalte gegen Menschen aus anderen Ländern und auf tiefes Misstrauen der einen Nation gegenüber der anderen.

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"Ich würde am liebsten hier gar nicht mehr mit der Bahn durchfahren", sagt ein DVG-Straßenbahnfahrer auf dem Weg über die Kaiser-Wilhelm-Straße in Richtung Bruckhausen. Oft müssten er und seine Kollegen scharf bremsen, weil Kinder im Gleisbett spielen. "Werden sie von der Polizei verjagt, sind sie sofort wieder zurück, sobald die Beamten weg sind." Noch häufiger wird das DVG-Personal von Fahrgästen beschimpft und beleidigt. Angeblich sitzen dort in den Bahnen mehr Schwarzfahrer als zahlende Gäste. Und der eine oder andere Kontrolleur, so ist zu hören, versuche aus Angst vor Schlägen Marxloh zu meiden. "Wenn ich fordere, dass auf die Einhaltung von Regeln und Vorschriften strenger geachtet werden muss, werde ich bestimmt sofort in die rechte politische Ecke gestellt", sagt Volker Mosblech. "Aber genau das ist doch nötig." Die deutsche Bevölkerung in Marxloh - egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund - habe schon lange das Gefühl, "dass wir Politiker es nicht gebacken bekommen. Und darum wählen sie dann die Rechtsradikalen".

Mosblech ist in Hamborn geboren, aufgewachsen und lebt noch heute dort. Marxloh kennt er wie seine Westentasche. Seit mehreren Jahrzehnten fließen dorthin regelmäßig Fördermittel, um die Strukturen zu verbessern. "Das müssten inzwischen weit über 100 Millionen sein. Mit dem Geld ist bestimmt eine Menge Gutes getan worden." Aber ihm fehlt die Nachhaltigkeit. "Ich befürchte daher auch, dass die Anstrengungen nicht ausreichen werden." Die Probleme hätten sich verschärft, seitdem immer mehr Bulgaren und Rumänen dorthin gezogen sind. "Es macht keinen Sinn, sie aus Marxloh zu verjagen. Diese Leute müssen einfach lernen, wie man hier lebt und was hier verboten und erlaubt ist. Und sie müssen erleben, dass es für alle Konsequenzen hat, wenn man gegen unsere Gesetze verstößt."

Gerade erst ist ein Freund von ihm in Marxloh krankenhausreif geprügelt worden, nur weil er ein paar Jugendliche, die vor seinen Augen Mülltonnen umgekippt hatten, aufgefordert hatte, die Behälter wieder zurückzustellen. Mosblech kennt andere Fälle, in denen Bürger, die sich gegen Missstände äußerten, Prügel angedroht bekamen oder kassierten. "Wenn ich über die Weseler Straße fahre, sehe ich immer etliche Verkehrsverstöße, die nicht geahndet werden, weil gerade keine Polizei da ist." Linksabbiegen, wo es verboten ist, parken in zweiter Reihe, Missachten von roten Ampeln - "das halten viele vielleicht für Banalitäten. Für mich ist das ein Zeichen, dass es dort Bewohner gibt, die unsere Regeln nicht einhalten".

Für Mosblech ist es keine Frage, "dass es über kurz oder lang da oben richtig knallen wird". Die Tatsache, dass die Polizei die Konflikte oft nur durch starken Personaleinsatz regeln könne, sage doch schon alles. "Ich mache der Polizei wirklich keine Vorwürfe. Und ich bedaure auch die Kräfte vom Ordnungsamt oder andere, die dort oben kontrollieren, für Sauberkeit sorgen müssen oder anderswie dabei helfen, die Ordnung zu wahren. Sie alle sind um ihren Job wirklich nicht zu beneiden."

(RP)
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