NRW Polizei richtet Soko "Rocker" ein

Der Rocker-Kampf zwischen "Hells Angels" und "Bandidos" eskaliert. Am Wochenende kam es innerhalb weniger Stunden in Duisburg, Solingen und Essen zu Schüssen und brutalen Übergriffen. Zudem wurde eine Granate geworfen. Die Polizei wurde von den Ereignissen überrumpelt. Inzwischen laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Nach Informationen unserer Redaktion wird eine Sonderkommission gegen Rockergewalt in NRW eingerichtet.

Rockerkrieg: Anschlag auf das "Angel Place"
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Rockerkrieg: Anschlag auf das "Angel Place"

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Die blutige Fehde zwischen den Rockerbanden "Hells Angels" und "Bandidos" hat am Wochenende in NRW ihre Fortsetzung gefunden. Die Eskalation der Gewalt nahm in Duisburg ihren Anfang. Nach dem bisherigen Ermittlungsstand der Polizei muss sich die Nacht wie folgt abgespielt haben.

Duisburg, Rotlichtviertel, Samstagabend gegen 21.10 Uhr: 30 bis 40 "Bandidos" machen sich von ihrer Kneipe an der Charlottenstraße aus auf den Weg zu einem nur wenige Meter entfernten Bordell an der Julius-Leber-Straße. Offensichtlich wollen sie das Laufhaus angreifen. Es wird nach Informationen unserer Redaktion von den verfeindeten "Hells Angels" kontrolliert.

Polizei in Duisburg wurde überrascht

Der Angriff schlägt fehl. Die "Hells Angels" hatten im Vorfeld von den Plänen Wind bekommen und warteten bereits auf die "Bandidos". Auf der Charlottenstraße kam es zum Aufeinandertreffen. Nach dem ersten Angriff der Bandidos schlagen die "Hells Angels" zurück und treiben ihre Gegner zurück. Etwa 50 mit Schlagstöcken bewaffnete "Hells Angels" dringen in den Treffpunkt der verhassten "Bandidos" im Duisburger Rotlichtviertel ein, greifen Gäste an, zerstören doe Einrichtung.

Die Polizei ist zu Beginn der Auseinandersetzung der Rockerbanden völlig überrascht. "Wir wurden zu Beginn des Kampfs regelrecht überrannt", sagt ein Beamter später. Man habe keinerlei Informationen gehabt, dass an diesem Abend etwas passieren werde. Im Zuge des Objektschutzes waren zu diesem Zeitpunkt nur zwei Streifenwagen vor Ort. Gegen die große Überzahl der Rocker konnten die Beamten nichts ausrichten.

Schnell aber kommt Verstärkung. Wenige Minuten später sind rund hundert Polizisten im Einsatz. Zu spät. Die "Hells Angels" konnten nach ihrem Angriff in Kleinbussen flüchten. Festnahmen gab es keine. Die Polizei sperrte das Gebiet ab. "Es war eine zielgerichtete Aktion. Alles lief binnen einer halben Stunde ab. Deswegen konnten wir niemanden festnehmen", erklärt Manfred Fischer, Pressesprecher Polizei Duisburg.

Schüsse und Handgranate in Solingen

Teil zwei der blutigen Nacht spielt sich wenige Stunden später in Solingen ab. Gegen 1. 50 Uhr durchschlägt eine Handgranate ein Fenster des Rocker-Clubhauses "Angel Place". Zeitgleich fallen vor dem Haus Schüsse. Die Handgranate explodiert nicht. Wer den Anschlag verübt hat, ist noch unklar. Aber viele spricht dafür, dass "Bandidos" dahintersteckten, um Vergeltung zu üben für die Ereignisse aus Duisburg. Verletzt wurde niemand. Nach Angaben der Polizei hielten sich 20 Personen in dem Gebäude auf.

"Mehrere Kugeln sind in die Hausfassade eingeschlagen. Die Handgranate ist von Experten der Bundespolizei kontrolliert gesprengt worden", sagt Michael Bartsch, Polizeipressesprecher Solingen, auf Anfrage unserer Redaktion. Zudem sind Kugeln offenbar auch in die Fensterscheibe eines Kinderzimmers eingeschlagen. Im Obergeschoss sollen Familien der "Hells Angels" wohnen. Bis vor wenigen Tagen hatte die Polizei den Solinger "Hells-Angel-Treff" noch überwacht, zog dann aber die Beamten wieder ab.

Schüsse auch in Essen

Dritter Schauplatz der Gewalt ist in der Nacht zum Sonntag der Essener Stadtteil Borbeck. Dort fallen Schüsse auf das "Bandidos"-Clubheim. An der Türscheibe des Clubheims, in dem sich zum Tatzeitpunkt niemand befand, wurden einer Polizeisprecherin zufolge zwei Einschusslöcher entdeckt.

Grund: Der mutmaßliche Todesschütze von Duisburg, der Anfang Oktober ein "Bandido"-Mitglied auf offener Straße erschossen hatte, soll den "Hells Angels" in Solingen angehören. Deswegen wurde dort lange ein Anschlag befürchtet.

Offenbar rechnete die Polizei aber nicht mehr damit und zog ihre Beamten vor wenigen Tagen von der Überwachung ab. Hinweise auf einen Anschlag hätten nicht vorgelegen. Die Einsatzkräfte vor Ort waren damals auch mit Maschinenpistolen ausgerüstet.

Polizei richtet Sonderkommission ein

Nach den Vorfällen der vergangenen Nacht stellt die Polizei zurzeit eine Sonderkommission zusammen. Die Führung soll nach Informationen unserer Redaktion die Polizei in Münster übernehmen. "Wir sammeln gerade alle Fakten und planen jetzt eine gemeinsame Einsatzgruppe", sagt Nicole Knauer von der Polizei Essen. Die Polizei in Münster kennt sich aus im "Rockerkrieg". Vor Zwei Jahren ist dort ein Mitglied der "Hells Angel" von den "Bandidos" münsterländischen Ibbenbüren erschossen worden. Der Prozess fand im Landgericht Münster statt.

Rockerkrieg entflammt

Der Rockerkrieg in NRW dürfte nun endgültig entflammt sein. Nachdem Anfang Oktober vor dem Lokal an der Charlottenstraße im Duisburger Rotlichtviertel ein 32-jähriges Mitglied der "Bandidos" auf offener Straße erschossen wurde, rechnete man damit, dass die "Bandidos" als erste "zurückschlagen" werden.

Der mutmaßliche Todesschütze, ein 31-jähriger Kampfsport-Profi, hat sich einen Tag nach dem Anschlag der Polizei gestellt. Er gehört dem Umfeld der "Hells Angels" an und sitzt noch in Untersuchungshaft. In Rockerkreisen bleibt ein solcher Anschlag selten ungesühnt. Ein solcher Angriff auf den Hauptsitz des Feindes ist als offene Kriegserklärung zu werten.

Im Rockerkrieg geht es um Geldsummen in Millionenhöhe. Die Banden sollen in vielen Städten Deutschlands Drogengeschäfte, Prostitution und Diskotheken kontrollieren. In Berlin tobt seit geraumer Zeit ein regelrechter Rockerkrieg der auch bereits einige Todesopfer forderte.

(DDP/csi/csh)
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