Duisburg "Planung gegen die Menschenwürde"

Duisburg · In Marxloh stellten Experten verschiedene Positionen zur Entwicklung des Einzelhandels in Duisburg vor. Streitpunkt und ungewolltes Hauptthema war das Factory Outlet Center (FOC).

Duisburg: "Planung gegen die Menschenwürde"
Foto: Privat

"Wirtschaftlicher Strukturwandel und Stadtentwicklung" — unter diesem Thema stand am Dienstag ein Diskussionsabend in der Marxloher Kreuzeskirche. Da der Fokus auf der Entwicklung des Einzelhandels lag, musste auch der Flächennutzungsplan "Duisburg 2027" zwangsläufig Thema des Abends werden. Carsten Tum, Leiter des Stadtentwicklungsdezernats, baute seinen Kurzvortrag auf den Konzepten des 15-Jahres-Plans auf. Vor dem Hintergrund einer alternden und schrumpfenden Bevölkerung in Duisburg, die 2027 nur noch zirka 450 000 Bürger ausmachen wird, plädierte Tum für die Idee, "Zentren zu stärken". "Wir wollen die Stadt der kurzen Wege sein", erläuterte er eine Zielsetzung von "Duisburg 2027".

 Das geplante Factory Outlet Center im Duisburger Norden bleibt umstritten. Gegner und Befürworter sind völlig uneins.

Das geplante Factory Outlet Center im Duisburger Norden bleibt umstritten. Gegner und Befürworter sind völlig uneins.

Foto: ARchiv

Neben den zwei Hauptzentren, in der City und in Hamborn / Marxloh, finden sich über die Stadt verteilt so genannte "Nebenzentren". Komplettiert werde der Handel durch Nahversorgungszentren, die stets fußläufig zu erreichen sein sollen, so Tum. Diese Zentren werden als Ansiedlungsgebiete für neue Geschäfte ausgewiesen. Trotz einer Verkaufsfläche von 724 000 Quadratmetern erfülle Duisburg nirgends die nötigen Kriterien eines "Hauptzentrums". Als Tum auf das Factory Outlet Center (FOC) zu sprechen kam, das in Marxloh errichtet werden soll und dem die Bewohner des Zinkhüttenplatzes weichen sollen, hallten spöttisches Gelächter und Buh-Rufe durch die gut besuchte Kirche. Carsten Tum sprach davon, dass das FOC mit Absicht "in der Stadt und nicht auf der grünen Wiese" errichtet werde, um das Konzept von Haupt- und Nebenzentren beizubehalten. Anders als Carsten Tum jedoch interpretierte Wilhelm Bommann vom Einzelhandels- und Dienstleistungsverband Niederrhein die vielen Informationen über die Situation des Einzelhandels in Duisburg als "unheilvoll" für die Stadt. Discounter, große Unternehmen und Online-Shopping sorgen für einen Kundenschwund in individuellen Fachgeschäften, so Bommann. Harsch kritisierte er zudem die Praxis der Stadt, neue Flächen für den Handel auszuweisen, obwohl 759 Leerstände zu beklagen seien, was rund 61 000 Quadratmetern entspreche.

 Wilhelm Bommann vom Einzelhandelsverband.

Wilhelm Bommann vom Einzelhandelsverband.

Foto: Probst, Andreas (apr)

"Es gibt doch genug Fläche, trotzdem wird überall neu gebaut", sagte Bommann sichtlich empört und verwies als Beispiel auf das neue Lidl-Geschäft am Didierwerk in Wanheimerort, fernab jeden ausgewiesenen Zentrums. Ähnliche Vorbehalte äußerte auch Folkert Küpers von Verdi NRW und beklagte die Personalpolitik der großen Unternehmen. Minijobs und befristete Arbeitsverträge seien der Alltag bei großen Konzernen. Darunter litten die Angestellten anderer Geschäfte in den alten Zentren, so Küpers. Zudem, und mit dieser Äußerung zog er den Großteil des Publikums auf seine Seite, sei das Konzept Haupt- und Nebenzentren nicht auf das Ruhrgebiet anwendbar, da die Städte eine große Stadt bildeten, die nur nicht als solche bezeichnet werde.

 Planungsdezernent Carsten Tum hatte einen schweren Stand.

Planungsdezernent Carsten Tum hatte einen schweren Stand.

Foto: Probst, Andreas (apr)

Der letzte Gast des Abends, Prof. Dr. Roland Günter, Vorsitzender des Deutschen Werkbunds, erklärte seine Thesen zum Strukturwandel der Stadt. Den Strukturwandel selbst bezeichnete er als "Herstellung von Ruinen" und sprach davon, dass im Zuge der Planungen die "Menschenwürde verletzt" worden sei. Er erklärte mit Blick auf die prognostizierte Entwicklung des Einzelhandels, dass "jeder Punkt menschenverachtend und die Mittel falsch" seien. Von einer "Abstimmungssituation wie in China" war die Rede, zudem machte Günter das Angebot, mit einer Leitkommission die Stadt beim Strukturwandel anzuleiten.

Die anschließende, sehr kurze Diskussionsrunde mit dem Publikum bot wenig Diskussion, dafür aber viele Vorwürfe. Der Wut der Anwohner des Zinkhüttenplatzes begegnete Carsten Tum stets höflich und fundiert; er konnte den Zorn der Bürger aber nicht zum Verstummen bringen. Entschieden wies er außerdem die Anschuldigung zurück, der Flächennutzungsplan verletzte die Menschenwürde.

(jos)
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