Duisburg Philharmonischer Gipfelsturm

Duisburg · Höhepunkt im jüngsten, elften Philharmonischen Konzert im ausverkauften Theater am Marientor (TaM) war "Eine Alpensinfonie" von Richard Strauss. Das Konzert wurde vom WDR-Fernsehen aufgezeichnet.

 Euphorisch wurde die einstige Gastkünstlerin Susanna Yoko Henkel an der Seite von GMD Giordano Bellincampi gefeiert.

Euphorisch wurde die einstige Gastkünstlerin Susanna Yoko Henkel an der Seite von GMD Giordano Bellincampi gefeiert.

Foto: Philharmoniker Duisburg

Ausverkauft war das jüngste, elfte Philharmonische Konzert im Theater am Marientor (TaM). Kein Wunder, denn das Programm brachte vor der Pause zwei Werke, die früher sehr beliebt waren und auch heute noch ihre Wirkung nicht verfehlen, nach der Pause ein bildhaftes Werk mit riesenhafter Besetzung. Und am Pult der Duisburger Philharmoniker stand der beliebte Generalmusikdirektor Giordano Bellincampi.

Zunächst gab es die knallige Ouvertüre zu der Operette "Leichte Kavallerie" (1866) von Franz von Suppé, pardon: Francesco Ezechiele Ermenegildo Cavaliere Suppé-Demelli. Wurde hier etwas dick aufgetragen, sah das bei dem Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 g-Moll op. 26 (1864-68) von dem vor 175 Jahren geborenen Max Bruch viel subtiler aus.

Das abgenudelte Stück erfuhr eine sehr sensible Aufführung, vor allem dank der Solistin Susanna Yoko Henkel, Duisburgs "Artist in Residence" (Gastkünstlerin) der Saison 2009/2010, und ihrer vorzüglichen Spieltechnik. Auch das Zusammenspiel mit dem Orchester wirkte sehr gelungen. Das fröhliche Finale war der Wendepunkt des heißen Abends, von dem an alle gelöst musizierten. Dazu passte die ganz schlicht genommene Zugabe, nämlich das Andante aus der zweiten Solosonate von Johann Sebastian Bach.

Das Hauptwerk des Konzerts war dann "Eine Alpensinfonie" op. 64 (1911-15) von Richard Strauss. Vordergründig geht es darin um eine eigene Wanderung des Komponisten im Hochgebirge, einschließlich Gewitter und Sturm beim Abstieg — auf einer höheren Ebene aber um die Befreiung durch die Natur nach Friedrich Nietzsche. Strauss hatte dessen Philosophie begeistert aufgenommen und war besonders beeinflusst von der polemischen Schrift "Der Antichrist. Fluch auf das Christentum". Die "Alpensinfonie" steht in der Nachfolge des 1896 entstandenen, gleichfalls auf Nietzsche zurückgehenden Tongedichts "Also sprach Zarathustra". Strauss hatte einige Jahre sogar erwogen, dem neuen Stück den Titel "Der Antichrist" zu geben und der literarischen Vorlage weitaus genauer zu folgen.

1902 hatte Strauss mit dem Entwurf einer symphonischen Dichtung namens "Künstler-Tragödie" begonnen, die ebenfalls in den Alpen spielen sollte. Die Idee entsprang dem traurigen Schicksal des recht erfolgreichen Schweizer Malers Karl Stauffer-Bern, der von einem wohlhabenden Schweizer Ehepaar aufgenommen wurde. Die Affäre mit der Frau seines neuen Mäzens endete damit, dass Stauffer und später auch seine Geliebte sich das Leben nahmen.

Der erste Teil der geplanten "Künstler-Tragödie" wurde neun Jahre später der erste Teil der "Alpensinfonie". Nach der Generalprobe zur Uraufführung dieses neuen Werks, 1915 in Berlin mit der Dresdner Hofkapelle unter der Leitung des Komponisten, sprach dieser zwei große Sätze gelassen aus: "Jetzt endlich hab' ich instrumentieren gelernt" und "Ich hab' einmal so komponieren wollen, wie die Kuh die Milch gibt."

Der Clou der Duisburger Programm-Zusammenstellung lag natürlich darin, dass in der "Alpensinfonie", in der Episode "Auf dem Gipfel", ein Motiv auffällig an eine Stelle aus "dem" Violinkonzert von Bruch erinnert. Der allzeit scharfzüngige Komponistenkollege Hans Pfitzner lästerte damals: "Da hat sich der Strauss beim Kraxeln 'nen Bruch geholt".

Hier waren Dirigent und Orchester ganz in ihrem Element, konnten ihre größten Stärken ausspielen, vor allem eine umwerfende Klangfarben-Dramaturgie. Das wirkte ebenso durchsichtig wie leidenschaftlich — großartig! Lang anhaltender Applaus für die Künstler.

(hod)
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