Duisburg Opern-Bilderbogen über einen Wüstling

Duisburg · Am Samstag, um 19.30 Uhr, übernimmt die Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg ihre erfolgreiche Produktion der neoklassizistischen Oper "The Rake's Progress" von Igor Strawinsky in ihr Duisburger Haus.

 James Bobby, Anke Krabbe und Jussi Myllys (v.l.) stellten beim Pressegespräch die Strawinsky-Oper vor, die morgen zum ersten Mal im Duisburger Stadttheater aufgeführt wird.

James Bobby, Anke Krabbe und Jussi Myllys (v.l.) stellten beim Pressegespräch die Strawinsky-Oper vor, die morgen zum ersten Mal im Duisburger Stadttheater aufgeführt wird.

Foto: ralf hohl

Er liebt sie, seine Anne Truelove. Trotzdem schwebt dem jungen Tom Rakewell etwas anders vor als eine sichere Banklehre und ein idyllisches Leben auf dem Land. Als ein Fremder namens Nick Shadow auftaucht und ihm nicht nur eine große Erbschaft, sondern auch eine aufregende Zukunft verspricht, ist er nicht mehr zu halten.

"Nach London!" heißt seine Devise, wo er sich Freiheit, Glück, Erfolg und Geld erhofft, aber stattdessen von einem Desaster ins nächste stolpert und schließlich erkennen muss, dass er seine Seele verkauft hat. Das ist, auf ein brillantes Libretto in englischer Sprache von Wystan Hugh Auden und Chester Kallman, jene Oper "The Rake's Progress" (etwa: "Die Laufbahn des Wüstlings"), mit deren glanzvoller Uraufführung 1951 im Teatro La Fenice in Venedig Igor Strawinsky seine neoklassizistische Periode krönte und abschloss.

Die Geschichte der Musik und vor allem des Musiktheaters von Händel über Mozart und Verdi bis zum Musical wird darin für etwas Eigenes und Neues nutzbar gemacht. Oder wie die Dramaturgin Anne do Paco im Programmheft der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg schreibt: "Was vor uns steht, ist Strawinskys Musik mit all ihrem Witz, ihrer Spritzigkeit, ihrer Freude an der Groteske und Satire, aber auch an der ausschweifenden, am Belcanto geschulten blühenden Melodik, eine Musik, an deren Meisterschaft längst kein Zweifel mehr besteht und die in ihrer nur scheinbaren Leichtigkeit größte Anforderungen an die ausführenden stellt. Was vor uns steht, ist aber auch die schonungslose Dekonstruktion eines Illusionisten, die angesichts der Fülle an Talentshows in den Fernsehprogrammen, in denen Stars genauso schnell aufsteigen, wie sie wieder versinken, von einer geradezu sich aufdrängenden Aktualität ist. Am Ende der Oper ist Tom nur noch ein Wrack, verdummt und in den Wahnsinn getrieben von der Vergnügungsindustrie."

Am morgigen Samstag, um 19.30 Uhr, übernimmt die Rheinoper nun ihre Produktion von "The Rake's Progress", die schon mit großem Erfolg in Düsseldorf lief, in ihr Duisburger Haus. Regie führte Sabine Hartmanshenn, die in Duisburg schon mit Hans Werner Henzes "Phaedra" begeisterte. Sie differenzierte die Charaktere und deren Entwicklung, so dass Strawinskys Oper bei ihr alles andere ist als ein schwarz-weiß gezeichnetes Moralstück.

Sie betont den Aspekt, dass das Stück von einer Folge von Kupferstichen von William Hogarth (1732/35) angeregt wurde: "Jedes der neun Bilder spielt entweder an einem anderen Ort, oder - wenn nicht - wird der Inhalt der Szene so abgewandelt, dass die geänderte Perspektive die auf fortlaufenden und ineinander verwobenen Ereignissen beruhende Kontinuität einer Erzählung bewusst bricht". Tom nimmt hier auch Alkohol und Drogen, animiert von Shadow, der hier zumindest zu Beginn auch seine innere Stimme sein könnte, und Anne ist am Ende ein Todesengel, der Tom Schlaftabletten verabreicht.

Besonders interessant ist in dieser Produktion das Bühnenbild von Dieter Richter: eine bunte Bildfolge, die Hogarths Vorlagen ins 20. Jahrhundert übersetzt, inspiriert von den Bildwelten des Malers Edward Hopper und des Fotografen Gregory Crewdon.

Erstere mit ihrer ganz eigenen Melancholie, Vereinsamung und Darstellung der Welt als Abglanz der eigenen Leere, Letztere mit ihren aufwändig inszenierten Geschichten, die vom Einbruch des Unheimlichen, Rätselhaften, nichtErklärbaren in eine Welt von geradezu banaler Normalität handeln.

(hod)
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