Duisburg OB Sauerland: Zeit konnte die Wunde nicht heilen

Duisburg · Ist Adolf Sauerland der Verlierer des Jahres oder vielleicht sogar ein Gewinner, weil er im September das Abwahlverfahren überstand hat und weiterhin im Dienst ist?

Sauerland mit Ketchup bespritzt
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Er ist in jedem Fall derjenige, der nach der Loveparade-Katastrophe mehr als alle anderen möglichen Verantwortlichen in den Fokus geriet, weil er nicht zurücktrat und damit bis hin zum Bundespräsidenten Unverständnis auslöste. Interviews im Zusammenhang mit dem Thema Loveparade lehnt Sauerland inzwischen kategorisch ab. Weniger wegen der noch laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Eher, weil sich nach dem 24. Juli bei ihm der Eindruck festsetzte, dass er sagen kann, was er will — es wird ihm als Fehler angekreidet.

Dass er zumindest in der ersten Zeit nach der Katastrophe nicht die richtigen Worte fand, dass er auf schlechte Berater hörte und gutgemeinte Tipps in den Wind schlug, dass er handlungsunfähig wirkte, alles das machte ihn angreifbar. Der Oberbürgermeister gestand sich eine sechswöchige Auszeit zu, in der der Ruf immer lauter wurde, dass er gehen soll.

Er gab diesem Druck nicht nach und zahlte dafür mit dem Preis, dass er bei der offiziellen Trauerfeier in der Salvatorkirche nicht willkommen war, seine Familie außerhalb der Stadt in Sicherheit bringen musste und Beschimpfungen, Beleidigungen bis hin zu Morddrohungen erhielt. Für ein Stadtoberhaupt, das bis zum 24. Juli eher auf einer Welle der Sympathie durch die Stadt getragen wurde, war dies eine ganz bittere Erfahrung. Mit dem 24. Juli war er zu einer tragischen Gestalt geworden.

Das öffentliche Unverständnis über die Beharrlichkeit, mit der er sein Amt verteidigte, ging einher mit einer harten Auseinandersetzung auf der politischen Bühne. Für den politischen Gegner war Sauerlands Verhalten eine Steilvorlage, um ihn aus der Stadt zu jagen. Ihrem offensichtlich gut durchdachten Konzept hielt nicht nur Sauerland sein Schweigen entgegen. Auch seine Partei, die CDU, schien nur noch auf den Faktor Zeit zu setzen, die ja bekanntlich jede Wunde heilen soll. In diesem Fall funktionierte das nicht.

Die Auseinandersetzung fand im September nur einen vorläufigen Höhepunkt in dem Versuch, Sauerland per Ratsentscheid das Amt abzunehmen. Die Gegner scheiterten, aber gaben nicht auf. Stattdessen begannen sie, laut über Änderungen demokratischer Regeln nachzudenken, die das Verbleiben von Sauerland im Amt möglich gemacht hatten.

Die Sozialdemokraten beschlossen gar, dem Oberbürgermeister fortan die Anerkennung und den Respekt, die ihm als Stadtoberhaupt zustehen, zu verweigern.

Unterdessen versuchte Sauerland, in seinen Dienstalltag zurückzukehren, während die politischen Gegner schworen, genau das zu verhindern. Doch auch sie mussten zur Kenntnis nehmen, dass der OB wie eh und je mit Investoren verhandelte, Termine mit Landes- und Bundesministerien wahrnahm, nach Wegen aus der Finanzmisere der Stadt suchte und wieder öffentliche Veranstaltungen besuchte, bei denen auch geselligere Aspekte eine Rolle spielten. Ihre stetigen Angriffe auf den OB wirken allerdings wie Schimmel auf einer Brotscheibe, der sich immer weiter frisst.

Auch wenn längst die Meinung vorherrscht, dass Sauerland nicht der einzig Verantwortliche ist, so hat er Sympathie eingebüßt, stößt bisweilen auf offene Ablehnung. Denjenigen, die ihm öffentlich Führungsschwäche und Unvermögen vorwerfen, wird heute mehr geglaubt als vor der Loveparade.

Welche Lehren hat der Oberbürgermeister aus der Katastrophe gezogen? Gerne hätten wir ihn danach gefragt. Zu erkennen ist von Außen, dass er seine Worte in der Öffentlichkeit mit mehr Bedacht wählt, dass er nicht mehr immer auf alle sofort mit offenen Armen zugeht, dass er nachdenklicher und zurückhaltender geworden ist. Zu Weihnachten hat sich Sauerland öffentlich bei den Angehörigen entschuldigt. Und er hat sich schützend vor seine Mitarbeiter gestellt, weil er überzeugt davon ist, dass von ihnen keiner etwas gemacht hat, was im juristischen Sinne ursächlich für die Katastrophe war. Ob sie ihm das glauben?

(RP)
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