Neuer Roman von Renate Habets Die Spur eines Traumas

Duisburg · Renate Habets veröffentlicht mit „Lieselotte“ ihren sechsten Roman. Wieder erweist sich die Duisburger Autorin als feinfühlige Erfinderin und Erzählerin einer wechselvollen Lebensgeschichte.

 Renate Habets präsentiert ihren neuen Roman.

Renate Habets präsentiert ihren neuen Roman.

Foto: Peter Klucken

Wieso die Mehrzahl, wenn man alleine ist? Die Frage der Titelheldin von Renate Habets jüngstem Roman „Lieselotte“ wird zum Leitmotiv, man könnte auch sagen zum Leid-Motiv. „Lieselotte, kommt ihr!“ - Mit dieser Aufforderung der Mutter an die Tochter beginnt Renate Habets Roman. Die Angesprochene ist ebenso irritiert wie anfangs der Leser. Der wird von der Autorin zielstrebig auf die Spur eines Traumas geführt, das wie eine Art säkularisierte Erbsünde die Lebensgeschichte einer Frau prägt.

Der Name Lieselotte, den im Roman der Vater, ein sympathischer Förster, der Neugeborenen gibt, ist gut gemeint, verstärkt aber die Tragödie der Familie. Bei der Geburt stirbt Lieselottes Zwillingsschwester. Die Eltern hatten sich auf Zwillinge gefreut, die auf die Namen Elisabeth und Charlotte getauft werden sollten. Der Vater will seine todunglückliche Frau trösten und gibt eigenmächtig der Überlebenden einen Namen, der das Andenken an die Gestorbene bewahren soll. Der gut gemeinte Trostgedanke bewirkte das Gegenteil. Allein der Name erinnert die Mutter beständig an die Totgeburt, das große Unglück ihres Lebens. Lieselotte trägt unverschuldet diese Bürde mit.

Feinfühlig erzählt Renate Habets die Lebensgeschichte einer Frau, die, so der Untertitel des Romans, „die Last von zwei Leben“ zu tragen hat. Als Leser nimmt man am Schicksal des Mädchens, der Schülerin, der jungen und schließlich der reifen Frau teil, die mehr als andere die scharfen Kanten des Lebens zu spüren bekommt. Dabei tut gut, dass Lieselotte nicht als hoffnungslose Verliererin geschildert wird, sondern als starke Persönlichkeit, die ihr Schicksal meistern will, Risiken auf sich nimmt und an Niederlagen nicht zerbricht. Viele Jahre bleibt Lieselotte eine Suchende. Die Schilderung von Lieselottes Jahren in Sizilien wirken wie unterschwellig bedrohte Ruhestationen, die Teil ihrer Lebensdramaturgie werden. Die Rückkehr nach Deutschland erscheint als erzwungener Neustart, der das Geschehen dynamisiert. Renate Habets nimmt die Tradition der klassischen Bildungsromane auf, versetzt sie in unsere Gegenwart, in der bisweilen Unerklärliches und Unerklärtes geschieht.

„Lieselotte“ ist der sechste Roman von Renate Habets (Jahrgang 1945), die eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Autorenschaft ist. Zum Bücherschreiben kam sie erst 2007, als sie sich als Lehrerin für die Fächer Deutsch und Geschichte sowie als stellvertretende Schulleiterin des Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums vorzeitig pensionieren ließ. Mit ihrem autobiografisch gefärbten Roman „Ich will Erzbischof werden“ schrieb sie sich frei. Es folgten die Romane „Thea“, „Die Drei“ „Die rote Lene“, „Drüben“ und „Nur ein Leben“. Außerdem der Band mit Erzählungen „Kiesel zum Genken“.

Auch „Lieselotte“ ist das Werk einer erstklassigen Erfinderin und Erzählerin von Lebensgeschichten.

Renate Habets: Lieselotte – die Last von zwei Leben; Edition Paashaas Verlag, Hattingen; 250 Seiten; 11,95 Euro.

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