Duisburg Neue Altenheime sind nicht mehr gefragt

Duisburg · Die Stadt Duisburg ändert ihre Haltung in der Senioren- und Pflegeplanung. Nach dem Grundsatz "ambulant vor stationär" soll der Bau großer Pflegeheime nicht mehr unterstützt werden.

Sozialdezernent Reinhold Spaniel sprach von einem "Paradigmenwechsel". Die "massenhafte vollstationäre" Unterbringung alter Menschen sei nicht mehr zeitgemäß, sagte er gestern bei der Vorstellung des ersten Berichts zur Senioren- und Pflegeplanung. "Der Umzug ins Seniorenheim ist doch der letzte Schritt, den man so lange wie möglich vermeiden möchte", ergänzte er. Seniorenwohnungen mit ambulanter Versorgung und altengerechte Wohnquartiere, Senioren-Wohngemeinschaften, Mehr-Generationen-Wohnen und andere alternative Modelle gehören die Zukunft, meinte auch Sozialamtsleiterin Andrea Bestgen-Schneebeck.

Zurzeit gibt es in Duisburg rund 5100 Pflegeplätzen in Heimen, die Ende vergangenen Jahres zu rund 97 Prozent ausgelastet waren. Das bedeutet: Täglich sind 150 Pflegeplätze frei — ungefähr zwei komplette Heime stehen rein rechnerisch leer. Trotz der demografischen Entwicklung wird die absolute Zahl der Pflegebedürftigen bis ins Jahr 2027 eher rückläufig sein, erläuterte Stefan Ernst, Senioren- und Pflegeplaner des Sozialamtes.

Die Statistik belegt eine Zahl von 15 877 Pflegebedürftigen in Duisburg, von denen 4669 in Heimen und 11 126 zu Hause gepflegt werden. Die Finanzierung der stationären Pflege ist für die Stadt Duisburg mit enormen Kosten verbunden. Im vergangenen Jahr gab die Stadt 53,7 Millionen Euro an Hilfen zur Pflege und für Pflegewohngeld aus. In den sieben Jahren von 2006 bis 2012 betrugen die Kosten für die Stadt insgesamt 320 Millionen Euro.

Wie groß der finanzielle Unterschied ist, verdeutlicht ein Beispiel: Wenn in ganz NRW der Beginn der Pflegebedürftigkeit bei allen Betroffenen um einen Monat verzögert würde, könnten jährlich rund 50 Millionen Euro eingespart werden. Um dabei mitzuhelfen, gibt es in Duisburg ein Hilfekonzept mit 23 Begegnungs- und Beratungszentren. "Das ist das einzige kommunale Hilfskonzept, das wir trotz Haushaltssicherungsplan für die Dauer von fünf Jahren sicherstellen konnten", so Spaniel.

Die mit jährlich rund 1,2 Millionen Euro bezuschussten Einrichtungen sollen Betroffene und Angehörige darüber informieren, welche Alternativen es zur stationären Heimaufnahme gibt. Rund 3000 Beratungen finden dort jedes Jahr statt. "Dabei geht es zum einen um seniorengerechte, barrierefreie Wohnungen. Die Barrierefreiheit sollte auch bei Neubauten zum Standard werden" , sagte Andrea Bestgen-Schneebeck. Zurzeit gibt es in Duisburg bereits sechs ambulant betreute Wohngemeinschaften für ältere Menschen und Pflegebedürftige. Außerdem gibt es vier innovative Wohnanlagen in Neumühl, Meiderich, Rumeln und Hamborn sowie 22 Servicewohnanlagen. "Immer häufiger gehen auch Wohnungsbaugesellschaften dazu über, sich zu engagieren", so die Sozialamtsleiterin.

Ein Beispiel sei das Projekt der Sahle Bau in Neumühl, die an der Max-Planck-Straße mitten in einer Hochhaussiedlung eine "Pflegeinsel" mit 20 Plätzen und funktionierender Nachbarschaftsbetreuung eingerichtet hat. Gute Arbeit leiste auch das Christophorus-Werk in Meiderich. "Viele Eigentümer sind inzwischen daran interessiert, die Mieter auch in hohem Alter in ihren Wohnungen zu belassen und kümmern sich um entsprechende Voraussetzungen", sagt die Sozialamtsleiterin. Vielfach fehle es in Duisburg aber einfach an der Infrastruktur im Wohnquartier. Als Beispiel nannte sie Ungelsheim.

Dort ist der Anteil Älterer im landesweiten Vergleich am höchsten — trotzdem gibt es kein einziges Lebensmittelgeschäft den dem Süd-Stadtteil. "Wenn es an der Infrastruktur fehlt, weil es keine Nahversorger, keine Post- und keine Sparkassenfiliale mehr gibt und aufgrund der Fusion von Gemeinden auch keine kirchlichen Anlaufpunkte mehr, dann ist das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", sagte Stefan Ernst. Nur wenn diese Probleme gelöst würden, sei es möglich, in der eigenen Wohnung auch im Alter angemessen zu leben.

Infos auch im Internet unter www.duisburg.de/wohnberatung oder unter http://senioren.duisburg.de

(RP/ac)
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