Duisburg Neonazi wurde ausgebuht

Duisburg · Schüler des Robert-Bosch-Berufskollegs erlebten gestern eine Lehrstunde über das Thema Gewalt, die sie wohl nicht vergessen werden. Erst am Schluss outeten sich die vermeintlichen Täter und Opfer als Schauspieler.

Die Schüler des Robert-Bosch-Berufskollegs, zwischen 17 und 21 Jahre alt, machten gestern keinen Hehl daraus, wer ihre Sympathien hat. Es war der dunkelhäutige Musiker, der locker drauf war, sich nicht den Mund verbieten ließ und den Typen in der anderen Ecke zum Kotzen fand. Der "Kotzbrocken" wiederum prahlte damit, dass er den Laden eines Asiaten "platt" gemacht habe, weil er Ausländer nicht ausstehen könne. Deutschland gehöre den Deutschen allein, und wer das nicht kapiere, dem werde er es schon zeigen. Im Übrigen müsse er hier nur die Stunden abreißen, zu denen ihn ein Richter verurteilt habe.

Laut ging es gestern in der Hamborner Schulaula zu. Die Schüler waren, so glaubten sie, Gäste der Agentur "Mensch — aber wie?", die Veranstaltungen über das Thema Gewalt für Schulen durchführt. Die fünf Protagonisten, die unter Leitung eines — vermeintlich — ziemlich überforderten Moderators von ihren Erlebnissen, Erfahrungen und Ansichten berichteten, seien Freiwillige oder von Gerichten dazu verdonnerte. Zu den "Verdonnerten" gehörte auch eine Jugendliche, die auf ihrem Stuhl herumzappelte und nach und nach zugab, dass sie zusammen mit einer Freundin eine andere so gemobbt habe, dass diese aus dem Fenster sprang. Dafür könne sie nichts, außerdem sei diese andere unmöglich gewesen; irgendwie lebensunwert.

Die Schüler, die glaubten eine Altersgenossin vor sich zu haben, zeigten sich zunächst von der zur Schau gestellten Aufsässigkeit irritiert-fasziniert, dann jedoch registrierten sie die unmenschliche Hartherzigkeit der Nazigöre und ließen es sie mit aller Deutlichkeit wissen, dass sie auf der falschen Seite stehe. Der "Lehrer" hingegen, der zugab, die Nerven verloren und einen Schüler verprügelt zu haben, war bei den Berufsschülern kein großes Thema. Jedenfalls stand der Lehrer-Schauspieler nicht im Mittelpunkt, als im zweiten Teil die Schüler aufgefordert wurden, mit einem Fragebogen in der Hand, die Täter und Opfer zu interviewen.

Zu einer fast rührenden Szene kam es, als eine Schauspielerin in der Rolle eines Opfer davon berichtete, wie sie zusammengeschlagen worden war, als sie einer Frau zu Hilfe eilte, die von einem Mann vergewaltigt wurde. Ein türkischer Schüler rief ihr zu: "Du bist eine mutige Frau!" Und als die Schauspielerin später sagte, dass sie nach ihrer Erfahrung nie mehr einer anderen zu Hilfe eilen würde, hieß es von den Schülern: "So darfst du nicht denken!"

Schüler entschuldigten sich

Erst am Schluss der Stunde wurden die Schüler darüber aufgeklärt, dass die vermeintlichen Täter und Opfer Schauspieler sind. Allerdings seien alle Berichte authentisch. "Eure Reaktionen waren also richtig," sagte die "Nazi-Göre". Dennoch entschuldigten sich Schüler bei den Schauspielern, die die Nazi-Rollen übernommen hatten, für ihre bösen Worte. Diese bösen Worte waren angebracht, sagten die Schauspieler, die den jugendlichen Schülern auf sympathische Weise erklärten, dass sie hier nur eine Rolle übernommen hatten. Großes Kompliment!

(RP)
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