Duisburg "Museum gehört zur Stadt wie der Hafen"

Duisburg · Der Kunsthistoriker war bis 2010 stellvertretender Direktor des Lehmbruck-Museums. Danach blieb er wissenschaftlicher Mitarbeiter des Hauses. Nun nahm er endgültig Abschied von der Duisburger Museumsarbeit.

 Dr. Gottlieb Leinz vor einem Werk Otto Muellers.

Dr. Gottlieb Leinz vor einem Werk Otto Muellers.

Foto: Probst, Andreas

In Ihrer Zeit als stellvertretender Direktor hat das Lehmbruck-Museum sein Profil als Skulpturenmuseum geschärft. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Leinz In den 27 Jahren meiner Tätigkeit konnte auch mit meiner Hilfe die angeblich so spröde Gattung der Skulptur, wie sie das Museum auszeichnet, durch herausragende Ausstellungen, publizistische Tätigkeit, internationale Kontakte und Kunstberatung Anerkennung und Wertschätzung finden. Auch die publikumsnahe Vermittlung — meine Führungen und Vorträge waren bestens besucht — gehören hierzu. Natürlich profitierte ich von der Qualität und Fülle der Museumssammlung, die seit den Zeiten von August Hoff und Gerhard Händler internationales Format hat.

Wie schätzen Sie den "Rang" des Lehmbruck-Museums ein?

Leinz Mittlerweile gehört das Museum, auch dank der Ausstrahlung Wilhelm Lehmbrucks, zu den besten Adressen eines Skulpturenmuseums und genießt überregionale Anerkennung. Größeres Engagement bedarf nach meiner Einschätzung die professionale Vermarktung, denn das Museum kann seit Stiftungsgründung offensiv als Wirtschaftsunternehmen geführt werden.

Sie haben gelegentlich das "Kirchturmdenken" in Museen beklagt. Wie könnte die Kooperation zwischen den Museen verbessert werden? Oder anders gefragt. Gibt es hierzulande zu viele Museen?

Leinz Die Musealisierung ist eine Antwort auf den rapiden Abbau traditioneller Richtlinien und Werte. Bildung und Kultur brauchen immer ihren Ort und — so Joseph Beuys, der Lehmbruck als seinen "Lehrer" verstand — gleichzeitig konkretes und visionäres Denken. Bildung ist keine Frage des Geldes, sondern der Kreativität. Deswegen hat jede Institution dieser Art, sei es Museum oder Kino, Theater oder Konzertsaal ihre Berechtigung. Das Umfeld und die Ansprüche sind entscheidend.

Worauf spielen Sie an?

Leinz Wir leben im Ruhrgebiet und nicht in Hamburg oder gar in New York. Hier spielt nun aber das "Kirchturmdenken" eine entscheidend hemmende Rolle. Gemeint ist damit, sich in Krisenzeiten nicht gemeinsam, sondern auf Kosten anderer profilieren zu müssen. Hierzu gehört auch der Verkauf von Eigenbesitz, da auch in diesem Falle andere Häuser ungefragt von den Folgen betroffen wären.

Vor zwei Jahren konnten Sie bereits in Pension gehen, haben aber um zwei Jahre verlängert. Warum?

Leinz Vor allem galt die Arbeit zwei wichtigen Publikationen: Dazu gehört der Bestandskatalog der Skulpturen im Lehmbruck-Museum sowie eine Übersicht über die zu wenig bekannten Highlights der Skulpturen im Stadtraum Duisburg. Beide Bände liegen nun endlich vor und können umfassend das Profil und die Bedeutung der Sammlung auch für die Stadt veranschaulichen.

Was ist das Besondere an diesen Katalogbüchern?

Leinz Beide Publikationen zeigen deutlich, was man als Skulpturenmuseum erreichen kann. Die beiden aufwändigen Bände mussten unbedingt realisiert werden, zumal seit Jahren die Finanzierung mit erheblichen Summen gesichert war, der Bestandskatalog von der Ernst v. Siemens-Stiftung München (ca. 80 000 Euro), der zweite Band vom Land NRW (20 000 Euro). Das erstmals zusammengestellte skulpturale Gesamtverzeichnis umfasst ca. 900 Werke des Museums (ohne Wilhelm Lehmbruck.), jedes Werk von Rodin bis Feldmann ist abgebildet, die Meisterwerke sogar ganzseitig, und ausführlich kommentiert. Alle Angaben wurden neu überprüft: Maße, Bezeichnungen, Technik und Auflagen (bei Bronzen) sowie die Hinweise zur Provenienz. Ich denke eine Grundlage für jede Beschäftigung zum Thema moderner Skulptur, nicht nur in Duisburg.

Darf sich eine arme Stadt wie Duisburg überhaupt ein Museum leisten?

Leinz Das Lehmbruck Museum gehört zu Duisburg wie der Hafen. So würden es die auch in Kulturfragen vorbildlichen Bayern ausdrücken: fest verankert in der Region, gleichzeitig das Tor zur ganzen Welt. Jetzt heißt es wohl, Synergien aufzubauen.

Was kann das konkret heißen?

Leinz Ich habe in dieser Situation aus eigener Erfahrung während meiner Tätigkeit als Vorsitzender des Skulpturenvereins mit über 30 deutschen Museen gelernt. Auch hier zeigte sich, dass auf überregionaler Ebene wegen mangelnder Abstimmung, Personalverschiebungen und "Kirchturmdenken" viele Chancen vertan werden. Und dies in einer Zeit, in der die städtischen Museen am Hungertuch nagen und kaum noch Spielraum eigener Profilierung haben. Gemeinsame Synergieeffekte und Strukturverbesserungen, abgestimmte Öffentlichkeitsarbeit und Werbung, gemeinsam abgestimmte restauratorische Fürsorge, Ausstellungen aus den Beständen aller Mitglieder erwiesen sich zum Vorteil aller. Auch Regelwerke für die Aufarbeitung der Bestände, Austausch von Stellenausschreibungen und aussichtsreiche Förderanträge für geplante Projekte, zuletzt die Behandlung postumer Güsse führten zu gemeinsamen Initiativen. Die Resultate waren nicht theoretisch, sondern praktisch orientiert und deswegen auch erfolgreich.

(RP)
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