„Das Wunder von Marxloh“ Ditib-Moschee in Duisburg feiert Zehnjähriges

Duisburg · Sie wurde das „Wunder von Marxloh“ genannt. Der Bau einer der größten Moscheen Deutschlands vor zehn Jahren lief glatt. Am Freitag ist die Eröffnung zehn Jahre her. Geht es in Duisburg mit den aktuellen Umwälzungen in der Türkei nun so zu wie bei der kritisierten Ditib-Schwester in Köln?

Das ist die Merkez-Moschee in Duisburg
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Das ist die Merkez-Moschee in Duisburg

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Foto: dpa/Marcel Kusch

Die Islam-Dachorganisation Ditib in Köln steht immer wieder unter Beschuss. Gerade empörte es viele, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Ditib-Zentralmoschee in der Domstadt eröffnete. Nicht weit entfernt - in Duisburg-Marxloh - läuft es bei einer der mitgliederstärksten Ditib-Gemeinden hierzulande dagegen reibungs- und geräuschlos. Ihre Moschee ist eine der größten in Deutschland, eine Ruhrgebietsattraktion im osmanischen Baustil - und sie wird nun zehn Jahre alt. Anlass zur Frage: Was ist anders als Köln? Und hinterlassen der Putschversuch vor gut zwei Jahren und der autokratisch agierende Erdogan auch hier Spuren?

Kurzer Blick zurück: Mit der Einweihung am 26. Oktober 2008 war die Rede vom „Wunder von Marxloh“. Weil Planung und Bau zügig und ohne Streit über die Bühne gingen. Rund 1200 Betende haben Platz im Kuppelsaal. Der Andrang ist oft größer.

Aber es hat sich etwas verändert. „Früher hat es niemanden gestört, dass die Imame aus der Türkei nach Deutschland kamen. Heute werden wir plötzlich gefragt: Schreibt Euch Erdogan die Freitagspredigten?“, schildert Sozialpädagogin Hülya Ceylan. Kritiker werfen dem Kölner Bundesverband vor, verlängerter Erdogan-Arm zu sein. Spitzel-Dienste für Ankara und Berichte über die Prüfung einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz haben hohe Wellen geschlagen.

Und die spürt man bis ins Ruhrgebiet. Es werde viel pauschalisiert, moniert Ceylan, in Moschee und Begegnungsstätte für die Dialog- und Bildungsarbeit zuständig. „Wir sind eine Moscheegemeinde für die Duisburger. Wir werden nicht gesteuert, aber wir haben auch keinen Einfluss auf die türkische Politik.“ Die Arbeit habe sich inhaltlich nicht verändert, betont die Türkischstämmige mit deutschem Pass.

„Es gibt hier eine große Offenheit und Transparenz“, erläutert der Duisburger Integrationsdezernent Ralf Krumpholz. Er befürchte keine Abschottung wie in Köln. Aber: „Die Situation ist schwieriger geworden seit den Veränderungen in der türkischen Politik.“ Konkreter? „Es gibt eine Tendenz, bestimmte Verhältnisse in der Türkei verteidigen zu müssen statt politische Fehlentwicklungen klar zu benennen“, etwa die Auflösung demokratischer Strukturen in der Türkei. Der Grünen-Politiker meint: „Es wäre eine Aufgabe der Ditib-Gemeinden in Duisburg, sich mehr aus den staatlichen Zusammenhängen mit der Türkei zu lösen, es sind deutsche Vereine.“

Hülya Ceylan meint: „Natürlich wünscht man sich Imame, die in Deutschland sozialisiert sind. Aber auch einer großen Moscheegemeinde fehlt es leider an Mitteln und Strukturen.“ Der Kontakt zu Bürgern, Stadt, den christlichen und der jüdischen Gemeinde werde weiter gepflegt. Tagtäglich gibt es Führungen für interessierte Bürger aus dem gesamten Bundesgebiet, für Schulen, Kitas, Reisegruppen, Bildungseinrichtungen.

Murat Sencan vom Vorstand erinnert sich, dass es damals ein wichtiges Anliegen war, die Jugendlichen von der Straße zu holen, zu verhindern, „dass sie Blödsinn machen“, ihnen zu einer Perspektive zu verhelfen und ihnen eine religiöse Betreuung anzubieten. Und das gelte weiter. Die Angebote für die Moscheegemeinde mit rund 820 Mitgliedern umfassen Computer-, Sprach- oder Integrationskurse, Hausaufgabenhilfe, Jugendtreff, Mädchentreff.

„Jugendliche, die fest in einer Moscheegemeinde angedockt sind, geraten nicht so leicht in radikale Szenen“, ergänzt Ceylan mit Blick auf die wachsende islamistische Radikalisierung junger Muslime. Es fehlten aber für eine umfassende Präventionsarbeit bundesweit Strukturen und Mittel. „In den Moscheegemeinden wird diese Arbeit ehrenamtlich gemacht - vielleicht nicht immer optimal-professionell.“

Integrationsdebatte und Islamfeindlichkeit machten profunde Infos und Austausch umso wichtiger, weiß Ceylan. Auch dafür werde die repräsentative Moschee gebraucht. Türkische Gastarbeiter hatten das Grundstück gekauft, auf dem einst eine Zechenkantine stand. Auch die Senioren Mehmet Kürük, Dogan Sammaz, Solmaz Rifat und Yaman Muhittin sammelten damals Spenden für den Bau mit einem 34 Meter hohen Minarett und einem silbernen Kuppeldach, wie sie erzählen. „Viele Menschen kommen mit Vorurteilen über den Islam und einer skeptischen Einstellung über die Muslime in unsere Moschee. Nach einer Führung gehen sie heiter und lachend wieder raus. Das ist ein gutes Zeichen“, davon ist Sencan überzeugt.

(dpa/see)
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