Duisburg Mit Wasser geschriebene Botschaften

Duisburg · In unserer kunsthistorischen Serie über die Sammlung des privaten Museums DKM stellen wir heute die Rauminstallation des chinesischen Künstlers Song Dong (Jahrgang 1966) vor. Viele Besucher werden dort aktiv.

 Song Dong: Write your Message with Water (Schreibe Deine Botschaft mit Wasser), eine der beliebtesten Arbeiten im Museum DKM.

Song Dong: Write your Message with Water (Schreibe Deine Botschaft mit Wasser), eine der beliebtesten Arbeiten im Museum DKM.

Foto: werner j. hannappel

"Das Nichtstun ist vergeblich. Aber das Tun ist auch vergeblich. Auch wenn es vergeblich ist, muss es getan werden." Mit dieser fernöstlichen Weisheit überschrieb der 1966 geborene chinesische Künstler Song Dong in leuchtenden Neonbuchstaben seinen 2012 aus Anlass der 13. Documenta in den Kasseler Karlsauen gepflanzten "Doing Nothing Garden" – aus Abfällen aufgeschüttete Haufen, die, mit Gras und Gestrüpp bewachsen, für 100 Tage zum Müßiggang einluden. Eine Einladung oder vielmehr Aufforderung beinhaltet auch der Titel seiner im Museum DKM als Teil der Dauerausstellung gezeigte Installation "write your message with water (Schreibe Deine Botschaft mit Wasser)" aus dem Jahr 2001.

Zwölf Sitzkissen sind jeweils vor einem niedrigen hölzernen Pult auf dem Fußboden ausgelegt. Auf jedem Pult befinden sich eine massive querrechteckige Steinplatte, ein kleines Porzellangefäß mit Wasser sowie ein chinesischer Kalligrafiepinsel, sorgfältig abgelegt auf dem Rand der Schale. Die Kissen sind in Reihen zu je viermal drei Kissen angeordnet und formen ein Rechteck, wobei die potenziellen Benutzer der Schreibplätze einander den Rücken zuwenden.

Die bei den Besuchern des Museums DKM sehr beliebte Installation Song Dongs verfehlt ihre Wirkung nicht. Gerne folgt das Publikum der Aufforderung, den Schreibplatz in Gebrauch zu nehmen, auch wenn es zunächst Überwindung kostet, auf den Sitzkissen niederzuknien, da das westliche Publikum an diese im asiatischen Raum verbreitete Sitzhaltung nicht gewöhnt ist, die für die Intention des Kunstwerks jedoch eine unbedingte Voraussetzung darstellt.

Sie zwingt den Betrachter in eine Sitzposition, die für uns nicht alltäglich ist, die Mühe kostet und mit der wir Demut assoziieren. Die körperliche Haltung bedingt auch eine mentale: die des Innehaltens, der Sammlung und Konzentration. Ebenso wenig wie die Sitzkissen auf Entspannung abzielen laden die Schreibplätze zum "krakelnden" Ausprobieren eines Tuschepinsels ein.

Song Dongs Installation ist tief in der chinesischen Kultur verwurzelt, die ihrerseits in erheblichem Maß auf der jahrtausendealten chinesischen Schrift fußt. Schon um 200 vor unserer Zeitrechnung kam in China der Gebrauch von Pinsel und Papier auf, aus dem wiederum die Kalligrafie entstand: Das kunstvolle Schreiben mit dem Pinsel, das in engem Zusammenhang mit der chinesischen Malerei steht. Bei der Kalligrafie geht es darum, das Zusammenspiel von Pinsel, Tusche und Papier zu beherrschen.

Durch die Stärke und Ausführung der einzelnen Striche, die Verhältnisse der Striche innerhalb eines Schriftzeichens sowie die Ausrichtung der Zeichen untereinander soll eine harmonische Gesamtkomposition geschaffen werden. Natürlich setzt Song Dongs Installation nicht das Beherrschen der Kalligrafiekunst voraus.

Vielmehr fordert der Künstler den Betrachter auf, seine individuelle Botschaft zu hinterlassen – welche Zeichen oder Bilder man dafür verwenden möchte, bleibt jedem selbst überlassen. Schlichtheit und Einfachheit der Installation und ihrer Bestandteile sollen den Betrachter in einen Zustand der inneren Ruhe versetzen, die es ihm ermöglicht, mittels Pinsel und Wasser einen Gedanken festzuhalten, der kurz darauf jedoch wieder verschwindet. Die Zeichen werden vom Stein aufgesogen, der wie ein Erinnerungsspeicher Botschaft um Botschaft in sich aufnimmt und uns mit unserer Vergänglichkeit konfrontiert. Gleichzeitig wird hier eine stark in östlichem Denken verwurzelte Vorstellung deutlich, die den Einzelnen als Teil eines Ganzen sowie eines ewigen Kreislaufs begreift.

Die Autorin dieses Artikels, Dr. Heike Baare, arbeitet als Kunsthistorikern im Museum DKM.

(RP)
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